Mord an Marwa El-Sherbini in Dresden:Prozess im Hochsicherheitstrakt

Der Schock sitzt tief: Nach dem Angriff auf die schwangere Ägypterin Marwa El-Sherbini steht der Täter vor Gericht - der Sicherheitsaufwand ist immens.

Hans Holzhaider, Dresden

Einen solchen Sicherheitsaufwand hat das Landgericht in Dresden noch nicht erlebt: Keine Maus kann in das Gerichtsgebäude an der Lothringer Straße schlüpfen, ohne mindestens drei Mal kontrolliert und durch Metalldetektoren geschickt worden zu sein.

Mord an Marwa El-Sherbini in Dresden: "Warum wurde sie getötet?" Vor dem Rathaus in Dresden trauern die Menschen um Marwa El-Sherbini (Archivbild vom Juli 2009).

"Warum wurde sie getötet?" Vor dem Rathaus in Dresden trauern die Menschen um Marwa El-Sherbini (Archivbild vom Juli 2009).

(Foto: Foto: AP)

Um den gesamten Gebäudekomplex ist weiträumig ein Zaun errichtet worden, die unmittelbar anliegenden Straßen wurden für den Verkehr gesperrt. Journalisten müssen eine Vorkontrolle am Zaun passieren, dann zwei Unterschriften leisten, um den Empfang ihrer Akkreditierung und eines Schließfachschlüssels zu quittieren, dann Uhr, Gürtel, Brille und Schuhe ablegen, ehe sie durch die Pforte des Metalldetektors geschickt werden.

Ist das überstanden, legt ihnen ein ausnehmend freundlicher Justizbeamter ein gelbes Bändchen ums Handgelenk, sozusagen den Passierschein auf dem Weg in den Gerichtssaal, in dem um zehn Uhr der Prozess gegen den 28-jährigen Alex W. beginnen soll.

Polizei und Justiz wollen auf Nummer sicher gehen: Nichts darf passieren in diesem Prozess. Noch immer sitzt der Schock tief nach der mörderischen Attacke des jungen Russlanddeutschen auf die 31-jährige Ägypterin Marwa El-Sherbini am 1. Juli. Alex W., den Marwa El-Sherbini wegen Beleidigung angezeigt hatte, hatte während der Gerichtsverhandlung ein Messer aus seinem Rucksack gezogen, hatte sich auf die Zeugin gestürzt und wie wahnsinnig auf sie eingestochen.

Die Frau, im dritten Monat schwanger, starb, ihr Ehemann, der ihr zu Hilfe eilte, wurde ebenfalls von vielen Stichen getroffen und lebensgefährlich verletzt.

Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Dresden unter dem Vorsitz von Richterin Birgit Wiegand wird viele Fragen zu klären haben: Warum konnte keiner der im Gerichtssaal anwesenden Juristen - Richter, Staatsanwalt, Verteidiger - den Angeklagten stoppen, als er auf die Zeugin Marwa El-Sherbini losging?

Warum schoss ein Justizbeamter, der aus einem anderen Saal zu Hilfe gerufen wurde, auf den Ehemann statt auf den Angreifer? Und was hat es mit Berichten auf sich, dass Alex W. möglicherweise psychisch krank sei, weil er in Russland vom Wehrdienst freigestellt wurde? Der psychiatrische Sachverständige Stephan Sutarski soll allerdings zu dem Ergebnis gekommen sein, dass Alex W. in vollem Umfang schuldfähig ist.

Ob der Prozess wirklich zehn Tage dauern wird, wie der Terminplan des Gerichts vorsieht, ist ungewiss. 24 Zeugen sind geladen, ob alle angehört werden müssen, wird sich zeigen. Für den ersten Prozesstag haben die Verteidiger Michael Sturm und Veikko Bartel schon mehrere Anträge angekündigt; es wäre keine Überraschung, wenn darunter auch ein Antrag wäre, das Gericht wegen Befangenheit abzulehnen, weil Kollegen der Richter, die Zeugen der Tat waren, nicht unbefangen urteilen könnten.

Wenn der Prozess trotzdem in Gang kommt, könnte heute noch Elwy Ali Okaz, der Ehemann der getöteten Ägypterin, als Zeuge gehört werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: