Das Daphne-Projekt:"Die Hintermänner werden geschützt"

Investigation Into The Murdered Journalist Daphne Caruana Galizia

Peter Caruana Galizia, Ehemann der getöteten Journalistin Daphne Caruana Galizia

(Foto: Getty Images)

2017 wurde die Journalistin Daphne Caruana Galizia auf Malta mit einer Autobombe getötet. Nun hat ihr Ehemann erstmals ein Interview gegeben.

Interview von Lena Kampf und Bastian Obermayer

Erstmals seit der Ermordung seiner Frau Daphne hat Peter Caruana Galizia einem internationalen Reporterteam des Daphne-Projekts ein Interview gegeben. Die Journalisten trafen ihn im Haus der Familie in Bidnija, etwa 15 Minuten von Maltas Hauptstadt Valletta entfernt. Das Haus aus gelbem Kalkstein ist umgeben von einem Garten voller Blumen, Olivenbäumen und Kakteen, die Daphne Caruana Galizia pflegte. Die Journalistin wurde am 16. Oktober 2017 mit einer Autobombe unweit des Hauses in die Luft gesprengt.

Der Witwer der ermordeten Journalistin geht davon aus, dass der Mord von höchster Stelle in Auftrag gegeben wurde. Die drei Tatverdächtigen, die in Malta vor Gericht stehen, haben auf Anweisung gehandelt, glaubt Peter Caruana Galizia. Laut Ermittlern sollen die mutmaßlichen Mörder Verbindungen in die organisierte Kriminalität haben. Doch die Familie sagt, Daphne Caruana Galizia habe in diesem Bereich kaum recherchiert. Sie fürchtet, dass die Auftraggeber gedeckt und die Hintergründe der Tat nie aufgeklärt werden.

SZ: Ihre Frau hatte viele Feinde. Wer war das?

Peter Caruana Galizia: Das waren die Menschen, über die sie in ihrem Blog schrieb, und das nicht gerade liebevoll. Es ist ja kein Geheimnis, dass sie sich an Politikern oder Geschäftsmännern abarbeitete.

Und wer waren ihre größten Feinde?

Ich bin da vorsichtig, weil darauf natürlich die Frage folgt, wer die drei Tatverdächtigen meiner Meinung nach beauftragt hat, und das weiß ich einfach nicht. Meine Söhne und ich haben Vermutungen, aber wir haben keine Beweise. Es fällt mir schwer zu sagen, wer ihre kleinsten, mittleren oder größten Feinde waren. Daphne war ein Stachel, besonders im Fleisch der Sozialdemokratischen Partei, die heute regiert. Ihr Tod war der einzige Weg, sie verstummen zu lassen.

Sie konnte in ihrem Blog sehr persönlich werden. Wissen Sie, warum sie so schrieb?

Das war ihr Stil. Sie hat immer gesagt, dass sie keine Gefangenen macht. Sie schoss, um zu töten. Wenn sie eine Geschichte hatte, dann zog sie es durch, ohne Rücksicht. Manchmal taten mir die Leute leid, aber ich wusste, dass sie am Ende recht hatte. Sie war so stark, sie konnte damit umgehen.

Auf Malta kursierten alle möglichen Namen für ihre Frau...

Ja, man nannte sie die Hexe von Bidnija, die Hassbloggerin, die Königin des Zorns.

Und wie hat sich das alles auf sie ausgewirkt?

Ich glaube, es löste sie langsam innerlich auf. Sie hat zwar mal geschrieben, dass sie umso stärker wird, wenn die Angriffe heftiger werden. Aber in den letzten Monaten vor ihrem Tod hat sich alles zugespitzt. Wir haben sie langsam sterben sehen. Ihre Feinde wollten sie unbedingt stoppen, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so weit gehen.

Hatte sie Angst?

Nein. Aber ich weiß, dass sie sich freier fühlte, nachdem alle unsere Söhne Malta verlassen hatten, sie war nur noch für sich selbst verantwortlich. Die Söhne waren ihre Achillesferse, das machte sie angreifbar.

Sie war die einzige Journalistin, die auf diese Art auf Malta schrieb.

Ja, sie fühlte sich allein gelassen, vor allem von ihren Kollegen. Sie kämpfte an vorderster Front und sie bekam alles ab.

"Sie hatte einen eigenen Stil, sehr direkt und auf den Punkt"

Aber sie hörte nicht auf damit.

So war sie einfach. Je mehr sie abkriegte, umso mehr kämpfte sie. Sie weigerte sich, dem Druck nachzugeben.

Und sie haben sie auch nie gebeten, aufzuhören?

Nein, ich hatte nie das Gefühl, das Recht zu haben, sie darum zu bitten. Ich hätte sie nie von ihrer Arbeit abgehalten. Ich wusste, sie hat diesen Drang und die Leidenschaft, und ich habe sie dabei immer unterstützt.

Was war Daphne für eine Person?

Sie war sehr lebendig. Und auch eine sehr entschiedene Frau. Und, das wissen viele wohl nicht, sie war unseren Söhnen eine sehr gute Mutter. Sie war nicht streng mit ihnen, aber hatte immer den Hut auf, wusste immer genau, was bei ihnen los war. Sie hat sich auch nicht von ihnen veräppeln lassen. Sie hasste Faulheit.

Am Ende war sie aber nicht mehr die Person, die ich traf, als sie 20 Jahre alt war. Sie war nicht mehr wirklich glücklich. Sie hatte zwar ein dickes Fell, aber sie war auch sehr verletzlich.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Im Sommer 1983, in der Bar "St Julians". Sie war erst 20, ich bin neun Jahre älter. Sie war vielseitig interessiert, las viel. Für mich war sie wie ein frischer Luftzug. Es ging sehr schnell zwischen uns, und es hat großen Spaß gemacht. Wir sind oft zusammen schwimmen gegangen. 1985 haben wir geheiratet. Nachdem unser erster Sohn zur Welt kam, begann sie zu schreiben.

Wann wurde sie die bekannte Journalistin, die sie zuletzt war?

Sie hatte bald ihre eigene Sonntagskolumne. Sie hatte einen eigenen Stil, sehr direkt und auf den Punkt. Es war originell. Am Anfang dachten die Leute, ich würde ihre Aritkel schreiben, weil eine Frau nicht dazu fähig wäre, die Politik auf Malta so abzubilden. Dass es zu groß wäre für eine Frau von 24 Jahren. Aber bald verstanden sie, dass alles von ihr kam.

Erinnern Sie sich daran, worüber sie zuletzt mit ihr sprachen?

Das war am Sonntagabend. Wir standen im Garten, zusammen mit unserem Sohn Matthew. Daphne hatte neue Setzlinge gekauft und zeigte uns, wo sie sie im Garten einpflanzen wollte. Dann haben wir zu Abend gegessen und sind schlafen gegangen. Am nächsten Morgen war ich schon bei der Arbeit, als sie aufstand.

Und wie haben Sie von ihrem Tod erfahren?

Ich war im Büro in Valetta, als mein Sohn Andrew plötzlich auftauchte. Er war ganz weiß im Gesicht und sagte, sein Bruder habe ihn angerufen, es sei etwas Schreckliches passiert. Wir sind dann ganz schnell zu unserem Haus in Bidnija gefahren. Da wussten wir bereits, dass eine Bombe explodiert war. Als wir dort ankamen, trat uns ein Polizist entgegen. Ich fragte ihn: "Ist sie tot?" Er sagte ja.

Hatten Sie diese Antwort erwartet?

Ja. Es gab auf Malta bereits einige Bombenanschläge, entweder waren die Opfer tot oder hatten ihre Beine verloren. Aber ich hätte mir Daphne ohne Beine einfach nicht vorstellen können. Dass man sie mit einer Autobombe tötete, war natürlich ein Statement. Ein Spektakel der Abschreckung.

"Es war eine ganze Maschine gegen eine einzige Frau"

Sie hatte ja schon viele Drohungen erhalten.

Es gab zweimal Brandstiftungen bei uns, aber die Flammen wurden glücklicherweise frühzeitig entdeckt. Ich hatte es lediglich als Warnung empfunden, aber Daphne hat gesagt, dass man uns töten wollte. Im Nachhinein hatte sie wohl recht. Wir haben daraufhin das Haus ausgebaut.

Ein kleines Fort, einen sicheren Ort?

Ja, vielleicht ohne die Kanonen und Burggräben. Sie hat von hier aus gearbeitet, an dem großen Holztisch. Sie hat hier viel Zeit verbracht, weil sie draußen nicht mehr sicher war. Wo auch immer sie hinging, sie wurde fotografiert, die Bilder in sozialen Netzwerken geteilt, man machte sich über ihr Aussehen lustig. Die haben ihren Körper kommentiert, ihre Haare, ihre Nase. Weil es schwer war, sie inhaltlich zu attackieren, griff man sie auf dieser Ebene an. Je mehr sie kämpfte, umso mehr bekam sie auch ab. Es war eine ganze Maschine gegen eine einzige Frau.

Sie wurde ja auch juristisch verfolgt. Wie viele Klagen gab es zuletzt gegen sie?

Drei oder vier Strafsachen, aber die wurden fallen gelassen, weil sie tot ist. Aber es gibt noch 42 Verleumdungsklagen.

Die werden auch nach ihrem Tod weitergeführt?

Ja, meine Söhne und ich haben die Klagen geerbt. Damit haften wir auch, wenn es ein Urteil gegen Daphne geben würde. Darunter sind auch Klagen von Regierungsmitgliedern gegen sie. Eine oder zwei vom Premierminster.

Sind Sie auch in Gefahr?

Nein, das glaube ich nicht. Aber ich habe zwei Polizisten vor der Tür, 24 Stunden am Tag. Also meint irgendjemand wohl, dass das nötig sei.

Ihr Sohn Matthew ist auch Journalist. Aber er arbeitet nicht auf Malta.

Keiner meiner Söhne arbeitet auf Malta. Matthew wurde gewarnt, dass er hier nicht sicher sei, weil man glaubt, er besitze die gleichen Informationen wie Daphne. Die anderen beiden wohnen auch nicht hier.

Ist das nicht eine Form von Exil?

Sie sagen eher, dass sie sich wie Fremde in ihrem eigenen Land fühlen. Es ist nicht mehr das Malta, dass sie kennen.

Was wäre, wenn die Ermittlungen ergeben, dass hinter der Tat nicht hohe Auftraggeber aus der Politik stehen?

Wir wollen unbedingt wissen, wer die drei beauftragt hat. Natürlich macht es einen Unterschied, wenn sich herausstellt, dass niemand aus der Regierung involviert ist in ihre Ermordung. Aber wir glauben, dass es jemand aus Malta war. Bisher jedoch werden die Hintermänner von der Polizei geschützt.

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