Morales in Wien gestrandet:"Ein direkter Angriff auf den Präsidenten"

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Boliviens Präsident Evo Morales spricht auf dem internationalen Wiener Flughafen Schwechat mit Journalisten

(Foto: AP)

Das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales ist wieder auf dem Weg in die Heimat - ohne Edward Snowden. Der war nie an Bord. Die erzwungene Zwischenlandung in Wien wird aber ein Nachspiel haben.

Von Benjamin Romberg und Sebastian Schoepp

Als Südamerikaner steht man bei den USA und ihren Verbündeten derzeit offenbar unter Generalverdacht, man könnte dem Whistleblower Edward Snowden Asyl gewähren wollen. Das hat dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales einen unfreiwilligen Aufenthalt in Wien verschafft.

Die Lage ist nach wie vor unübersichtlich. Fest steht: Die Präsidentenmaschine musste in der Nacht zum Mittwoch einen außerplanmäßigen Stopp in Österreich einlegen. Das aus Moskau kommende Präsidentenflugzeug sollte eigentlich über Frankreich fliegen und in Lissabon zwischenlanden.

In Moskau hatte Morales an einer Energiekonferenz teilgenommen. Plötzlich war ihm aber dieser Weg in sein Heimatland verwehrt: Italien, Frankreich, Spanien und Portugal sollen nach bolivianischen Angaben den Luftraum für die Maschine gesperrt haben.

Schnell stand der Verdacht im Raum, diese Aktion hätten mit dem Whistleblower aus den USA zu tun. "Wir haben mit verschiedenen Autoritäten Kontakt gehabt und dabei erfahren, dass es offenbar Gerüchte gab, Edward Snowden sei an Bord der Maschine", sagte dann auch Boliviens Außenminister David Choquehuanca später. "Ich weiß nicht, wer diese Riesenlüge erfunden hat."

Sowohl das französische als auch das spanische Außenministerium haben allerdings inzwischen dementiert, den Überflug der Präsidentenmaschine verhindert zu haben, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet.

Es wäre keine Überraschung, wenn die Energiekonferenz in Moskau, wo sich Snowden seit etwa einer Woche im Transitbereich des Flughafens aufhält, den Argwohn der USA geweckt hätte. Auf der Konferenz trafen sich einige der aus Washingtoner Sicht üblichen Verdächtigen: Neben Morales kam auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, der nicht ausgeschlossen hat, Snowden Asyl zu gewähren.

Was nach der unplanmäßigen Landung der bolivianischen Präsidentenmaschine in Wien passierte, darüber gibt es zwei Versionen: Laut österreichischem Innenministerium kontrollierten die Behörden in Wien lediglich die Pässe der Passagiere, verzichteten aber darauf, die Maschine zu durchsuchen. Es habe keine rechtliche Grundlage dafür gegeben, sagte ein Sprecher.

Das österreichische Außenministerium sagte der Nachrichtenagentur APA hingegen, das Flugzeug sei von Grenzbeamten durchsucht worden. Dabei habe es sich um eine "freiwillige Nachschau" gehandelt, der Morales zugestimmt habe, betonte ein Sprecher.

Kein Verstoß gegen Luftverkehrsrecht

An Bord war man jedenfalls von der Sperrung des Luftraums überrascht worden und brauchte wohl einige Zeit, um herauszufinden, was eigentlich los war. Morales' Maschine verbrachte offenbar dreieinhalb Stunden in der Luft, bis es ein neues Ziel gab. Die Landung in Wien soll fast schon eine Notlandung gewesen sein. Außenminister Choquehuanca warf den zuständigen Behörden vor, Morales' Leben in Gefahr gebracht und die Luftverkehrsrechte verletzt zu haben.

Zumindest den Vorwurf, gegen geltendes Recht verstoßen zu haben, können die europäischen Staaten allerdings von sich weisen, wie der Experte für Luftverkehrsrecht, Elmar Giemulla, erklärt. "Für den zivilen Luftverkehr gilt das Chicagoer Abkommen, das Durchflüge pauschal zulässt", sagte Giemulla der SZ. Davon seien Staatsluftfahrzeuge wie die Präsidentenmaschine von Morales allerdings ausgenommen. In Artikel 3 des Abkommens (PDF) ist festgelegt, dass diese für jeden Überflug und jede Landung eine Genehmigung brauchen.

Im Umkehrschluss heißt das: Die Genehmigung kann verweigert werden. Dafür müsse das Land nicht mal einen Grund nennen, sagt Giemulla, "jeder Staat hat volle Souveränität über seinen Luftraum". Ob das Handeln der Europäer diplomatisch geschickt sei, das sei eine andere Frage.

Proteste in Lateinamerika

In Lateinamerika hat der erzwungene Zwischenstopp scharfe Proteste hervorgerufen. Selbst die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), gewöhnlich von den USA dominiert, verlangten eine "Erklärung". "Nichts kann einen Akt von solcher Respektlosigkeit gegen das höchste Amt eines Landes rechtfertigen", sagte OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza in Washington. Alle involvierten Staaten müssten eine Erklärung zu den Gründen dieser Maßnahme abgeben, die das Leben des Präsidenten eines OAS-Mitglieds gefährdet habe, forderte der Chilene.

Ecuadors Staatschef Rafael Correa und seine argentinische Kollegin Cristina Fernández de Kirchner forderten die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des südamerikanischen Staatenbundes Unasur, um gegen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit eines Präsidentenkollegen zu protestieren.

Morales verbrachte die Nacht sichtlich konsterniert im VIP-Bereich des Wiener Flughafens. Er überließ es Verteidigungsminister Rubén Saavedra, der sich ebenfalls an Bord der Maschine befand, vor Journalisten den angestauten Unmut abzulassen: Die erzwungene Landung werde als "direkter Angriff auf den Präsidenten" gewertet, sagte der. Die beteiligten Länder seien "Werkzeug einer äußeren Macht" gewesen. Gemeint waren natürlich die USA.

Eine weitere Nacht muss Morales nicht in Wien verbringen. Alle Länder sollen das Überflugsverbot aufgehoben haben, hieß es am späten Vormittag. Wie das spanische Außenministerium mitteilte, gewährt die Regierung in Madrid der Maschine des bolivianischen Staatschefs auch einen Zwischenstopp auf der Kanaren-Insel Gran Canaria zum Auftanken.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer am Wiener Flughafen, sagte Morales, er habe es dennoch abgelehnt, mit dem spanischen Botschafter in Wien die Präsidentenmaschine zu inspizieren beziehungsweise dort gemeinsam "einen Kaffee" zu trinken. Wenig später startete die Präsidentenmaschine in Richtung Bolivien.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP.

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