Montenegro:Der Sieger braucht Partner

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Milo Đjukanović gewinnt die Parlamentswahl in Montenegro, doch er verfehlt die absolute Mehrheit. Nun muss er Koalitionspartner finden.

Von Florian Hassel, Warschau

Wenn Montenegros Premierminister Milo Đjukanović eine Regierung bilden kann, will er die Beitrittsgespräche mit der EU fortsetzen und das kleine Land zum Nato-Mitglied machen. (Foto: Darko Vojinovic/AP)

Es war eine mit Spannung erwartete Wahl: Zum ersten Mal, seit Milo Đjukanović vor 25 Jahren seine fast ununterbrochene Herrschaft als Präsident oder Premier in dem kleinen, aber strategisch wichtigen Kleinstaat Montenegro an der Adria übernahm, schien die Opposition echte Chancen zu haben, den Langzeitherrscher im 625 000-Einwohner-Land abzulösen. Doch es kam, so scheint es, wieder einmal anders.

Der 54 Jahre alte Premierminister Đjukanović, der Montenegro 2006 in die Unabhängigkeit führte, kam mit seiner Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) nach Auszählung aller Stimmen auf 41 Prozent und damit auf 36 von 81 Parlamentssitzen. Die restlichen zum Regieren notwendigen mindestens fünf Mandate will sich Đjukanović nun in einer Koalition mit mehreren Kleinparteien bosnischer Muslime, Albaner und Kroaten sichern.

Bringt Đjukanović eine Regierung zustande, will er Mitgliedsverhandlungen mit der EU fortführen und Montenegro zudem zum Mitglied der Nato machen - ein entsprechendes Angebot der Verteidigungsallianz gibt es seit 2015. Der Wahlausgang bedeutet eine Schlappe für Russland: Moskau hätte gern eine Oppositionspartei als Wahlsieger gesehen, um seinen Einfluss auf dem Balkan zumindest zu behalten. Das Ergebnis ist zudem ein Dämpfer für das kleine Häufchen von Demokraten und Reformern, die gehofft hatten, die Herrschaft Đjukanovićs über den notorisch korrupten Ministaat werde beendet.

Montenegro ist eher ein Clan-geführtes Fürstentum als ein moderner Staat. Regierungschef Đjukanović wurde 2009 von italienischen Anti-Mafia-Staatsanwälten nur deshalb nicht wegen seiner mutmaßlichen jahrelangen Beteiligung an einem milliardenschweren Mafia-Zigarettenschmuggelring angeklagt, weil er diplomatische Immunität genoss. Als Montenegros Telefongesellschaft von der Telekom-Tochter Magyar Telekom übernommen wurde, zahlten Manager der US-Börsenaufsicht SEC zufolge rund neun Millionen Dollar Bestechungsgeld an Đjukanovićs Schwester, die Anwältin Ana Kolarević, und an "wenigstens zwei Regierungsangehörige".

Đjukanović und Kolarević bestritten die Vorwürfe, die Telekomfirma zahlte den US-Behörden später 95 Millionen Dollar im Austausch gegen ein Ende des Strafverfahrens. Die zweitgrößte Bank des Landes wurde vom Đjukanović-Clan als besserer Geldautomat genutzt. Sohn Balzo wurde gerade der Bau von Wasserkraftwerken übertragen. Aktuell macht Montenegro als Hochburg des Kokainschmuggels nach Europa und wegen des blutigen Bandenkriegs beteiligter Mafiagruppen Schlagzeilen. Viele Montenegriner sind unzufrieden. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei rund 40 Prozent, dem letzten Eurobarometer zufolge sehen 69 Prozent der Montenegriner ihre Wirtschaft negativ. Und nur ein gutes Drittel sieht Montenegro auf dem richtigen Weg.

Warum aber gewann Đjukanović gleichwohl die Wahl, wenn mit 73 Prozent der Wahlberechtigten sogar eine Rekordbeteiligung erreicht wurde? Ein Teil der Antwort liegt in der Organisation der Wahl, ein weiterer im Zustand der Opposition. Viele Montenegriner arbeiten als Beamte oder bei Staatsfirmen - Stimmen gegen den Đjukanović-Clan können für sie gefährlich werden. Zudem war das Wählerverzeichnis offenbar massiv manipuliert - etwa mit den Namen längst Verstorbener. Von 525 000 angeblich Wahlberechtigten stufte der Dachverband der Bürgerinitiativen Mans 170 000 Namen als problematisch ein. Montenegros von der Opposition gestellter Innenminister weigerte sich vor der Wahl, die Wahllisten wie gesetzlich vorgeschrieben zu unterschreiben - stattdessen tat es sein Stellvertreter. Am Wahltag wurden Wahlzettel mit identischen Seriennummern gefunden; auch von Stimmenkauf war die Rede. Zudem ist die Opposition zersplittert - 17 Bündnisse standen zur Wahl. Die größte Oppositionspartei Demokratische Front sammelte knapp 20 Prozent ein, gilt aber als von Russland instrumentalisiert.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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