Süddeutsche Zeitung

Monica Lewinsky über Affäre mit Bill Clinton:Geschenk für Hillary

"Ich bereue zutiefst, was passiert ist": Ex-Praktikantin Monica Lewinsky äußert sich 16 Jahre danach zu ihrem Verhältnis mit Bill Clinton. Das nützt vor allem dessen Ehefrau Hillary und ihren Ambitionen, Amerikas erste Präsidentin zu werden.

Von Matthias Kolb

Mehr als sechs Seiten ist der Text lang, mit dem Monica Lewinsky für Klarheit sorgen will. Am morgigen Donnerstag erscheint ihr mit "Shame and Survival" (Scham und Überleben) überschriebener Artikel im US-Magazin Vanity Fair, der vor allem zwei Botschaften enthält. Einerseits bereut die heute 40-Jährige "zutiefst", was damals im Oval Office geschah - obwohl sie ihre Affäre mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton als "Beziehung im gegenseitigen Einverständnis" empfindet. Andererseits sei sie auch zum "Sündenbock" gemacht worden, allerdings erst später, so Lewinsky.

Aus den bisher veröffentlichten Auszügen wird deutlich, dass Lewinsky ein neues Leben beginnen will - eines mit einem festen Job (den letzten hatte sie mit 24), ohne ständige bohrende Blicke und ohne Anspielungen auf blaue Kleider und jene Baskenmütze, die sie im Weißen Haus so gern trug.

Aus der Perspektive des Washingtoner Polit-Betriebs sind zwei andere Aussagen des Textes viel interessanter: Die Ex-Praktikantin bestreitet darin, von den Clintons in der Vergangenheit für ihr Schweigen bezahlt worden zu sein. Und sie beschreibt zudem ihre Gefühle über eine Bemerkung, die Hillary Clinton damals gegenüber einer Freundin machte: Lewinsky sei eine "selbstverliebte, durchgeknallte Comicfigur" (narcissistic loony toon). "Ich sollte glücklich sein, wenn dies das Schlimmste ist, was ihr zu mir einfällt", sagt Lewinsky jetzt, 16 Jahre später.

Für Hillary Clinton, die damalige First Lady und betrogene Ehefrau, kommt der Scoop der Vanity Fair zum rechten Zeitpunkt. Lewinsky tue der Demokratin einen "großen Gefallen", schreibt die Kolumnistin Ruth Marcus in der Washington Post. Denn für die einstige Außenministerin kann es nur gut sein, wenn dieses unangenehme Thema so früh wie möglich angesprochen wird.

Zwar schwebt es seit 16 Jahren über den Clintons und ihren politischen Aktivitäten (im DC-Sprech gern "Clinton Inc." genannt), doch 2008 kam die Lewinsky-Affäre nie zur Sprache. Der Grund: Hillary unterlag bereits im Vorwahlkampf gegen Barack Obama. Richtig schmutzig wird der US-Wahlkampf in der Regel aber erst, wenn Demokraten und Republikaner ihre Präsidentschaftskandidaten gekürt haben.

Da Hillary allerdings als nahezu unschlagbar gilt (mehr Details in diesem SZ-Porträt) und in allen Umfragen führt, werden sich die konservativen Medien irgendwann auf das Thema stürzen. Bislang war es nur Rand Paul, der republikanische Senator aus Kentucky, der Bill Clinton als "sexuelles Raubtier" bezeichnete - und argumentierte, die Demokraten könnten nicht glaubwürdig für Fraueninteressen eintreten, wenn sie sich mit diesem Mann umgeben würden.

Will sie ins Weiße Haus? Ende 2014 wird sich Hillary Clinton erklären

Die überzeugten Republikaner-Anhänger kann und muss Hillary Clinton allerdings gar nicht überzeugen - wichtig für einen Wahlsieg 2016 sind für sie jene Männer und Frauen in den swing states, die sich nicht auf eine Partei festgelegt haben. Für Obama waren es vor allem unverheiratete Frauen, die ihm die Wiederwahl sicherten - und sie dürften großen Respekt dafür haben, wie Hillary Clinton die Affäre gemeistert und welche Karriere als Senatorin und Außenministerin sie sich erarbeitet hat.

Die Art und Weise, wie sich Monica Lewinsky nun äußert, lässt vermuten, dass die damalige Praktikantin nicht vorhat, aus diesem Teil ihres Lebens kurz vor der Wahl 2016 Geld zu machen. Insofern spricht einiges dafür, dass sich nach einigen Tagen die Aufregung in den politischen Talkshows im Kabel-TV gelegt haben wird und - aus Sicht der Clintons - alles nach Plan weitergehen kann.

Am 10. Juni erscheint Hillarys mit Spannung erwartete Autobiografie "Hard Choices", für die sie mindestens acht Millionen Dollar Vorschuss bekommen haben dürfte. Auf der Lesereise im Herbst kann die 66-Jährige testen, wie sie in den diversen US-Bundesstaaten ankommt. Dass sie zu dieser Zeit auch erstmals Oma werden wird, weil Tochter Chelsea schwanger ist, sorgt sicher für weitere (positive) Schlagzeilen.

Und irgendwann gegen Ende des Jahres 2014 wird Hillary Rodham Clinton dann endlich jene Frage offiziell beantworten, die viele Amerikaner enorm beschäftigt: Wird sie sich 2016 um die Nachfolge von Barack Obama bewerben? Die Affäre ihres Mannes mit einer Praktikantin wird dann wohl nur eines unter vielen persönlichen Themen sein, über die debattiert wird - neben ihrem Geschlecht und ihrem Alter (sie wäre 69 bei der Amtsübergabe).

Die Fragen, was die Demokratin über Bengasi, Syrien, Gesundheitsreform, Amerikas Rolle in der Welt oder die wachsende Ungleichheit in den USA denkt, werden dann für die meisten Wähler entscheidender sein. Und wenn Monica Lewinsky nach diesem Magazin-Artikel wieder schweigt, dann hat die Ex-Liebhaberin Hillary Clinton ein Geschenk gemacht.

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