Republik Moldau:Leicht entzündlich

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Pro Moskau: Vor dem Regierungsgebäude in Tiraspol, der Hauptstadt der Separatistenregion Transnistrien, steht eine Statue von Wladimir Lenin. (Foto: Diego Herrera/imago)

In Russland und der Separatistenregion Transnistrien in Moldau gehen Tanklager und Funkmasten hoch. Wird das Nachbarland der Ukraine zum nächsten Ziel der russischen Aggression?

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In der prorussischen Separatistenregion Transnistrien, die völkerrechtlich zur Republik Moldau gehört, sind am Dienstagmorgen nahe der Ortschaft Maiac zwei Sendemasten gesprengt worden, mit denen russische Radiosender empfangen werden konnten. Bereits einen Tag zuvor, am Montagnachmittag, waren in unmittelbarer Nähe des Ministeriums für Staatssicherheit in Tiraspol, der Hauptstadt der selbsternannten "Pridnestrowischen Moldauischen Republik", Granaten explodiert; es gab Sachschaden, aber keine Todesopfer. Die Umstände beider Anschläge waren auch am Tag danach noch unklar; die Führung in Tiraspol teilte lediglich mit, es habe Explosionen gegeben. Später meldete das Lokalfernsehen, unbekannte Angreifer hätten das Gebäude mit Granatwerfern beschossen und Schüsse abgegeben. Die transnistrische Führung erhöhte die Terrorwarnstufe daraufhin auf Rot und kündigte die Einrichtung von Kontrollpunkten auf größeren Straßen sowie die Absage der Siegesparade am 9. Mai an.

Aus Kreisen der moldauischen Regierung in Chişinău war am Dienstag zu hören, man gehe davon aus, dass die Führung in Tiraspol mit den Vorfällen nichts zu tun habe, diese habe vermutlich kein Interesse an einer Verschärfung der Spannungen. Moskaus Intentionen hingegen dürften anders liegen; ein Zangenangriff aus Transnistrien und dem ukrainischen Osten etwa auf Odessa wird für möglich gehalten. Die proeuropäische Präsidentin Maia Sandu berief am Dienstagmittag umgehend den Nationalen Sicherheitsrat ein, um über die Ereignisse in der Separatistenregion zu beraten. Auf einer späteren Pressekonferenz hieß es, man betrachte die Ereignisse in Transnistrien als Versuch der inneren Destabilisierung Moldaus.

Auch wenn die Regierung darum bemüht ist, sich nicht allzu besorgt zu zeigen, wurde dennoch nicht nur in der Hauptstadt der Republik Moldau hektisch darüber spekuliert, ob es sich um eine "False Flag Operation" russischer oder transnistrischer Kräfte gehandelt haben könnte, die mit einem fingierten Angriff die Spannung in Transnistrien und der gesamten Region erhöhen wollten. Auch in der Ukraine glaubt man, der russische Geheimdienst FSB stehe hinter den Anschlägen, um "antiukrainische Gefühle" zu wecken. Auffällig ist jedenfalls, dass der Separatistenführer der sogenannten Donezker Volksrepublik, Denis Puschilin, laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti forderte, die Ereignisse in Transnistrien in die Planung der nächsten strategischen Schritte des Kriegs einzubeziehen. Für möglich gehalten wird aber auch, dass es sich um ukrainische Saboteure gehandelt haben könnte, die russische Propaganda unterbinden wollten.

In Transnistrien, das sich nach einem kurzen, aber blutigen Krieg Anfang der neunziger Jahre abgespalten hatte, aber de jure weiter zur Republik Moldau gehört, stehen etwa 2000 russische Soldaten. Transistrien selbst hat eine Truppe von geschätzt 3000 Mann, könnte aber im Konfliktfall zusätzlich Tausende Reservisten mobilisieren. Der Regierung in Chişinău macht allerdings weniger die Truppenstärke als ein Munitionslager Sorgen, das sich auf transnistrischem Boden in Cobasna befindet und das bis zu 20 000 Tonnen Munition enthalten soll.

Die erstrebte Kontrolle über die Südukraine gebe Russland auch Zugang nach Transnistrien

Erst wenige Tage vor den jüngsten Explosionen in Tiraspol hatte der stellvertretende Kommandeur des Zentralen Militärbezirks von Russland, Rustam Minnekajew, mit wenigen Sätzen große Unruhe in der fast zweieinhalbtausend Kilometer entfernten Republik Moldau ausgelöst - und nicht nur dort. Der hochrangige Militär sagte in Jekaterinburg, die angestrebte Kontrolle über die Südukraine eröffne den russischen Streitkräften auch Zugang zu Transnistrien, wo es Hinweise auf eine Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung gebe. Die Befreiung russischsprachiger Bürger ist eines der zahlreichen Narrative des Kreml für die Rechtfertigung des Überfalls auf das Nachbarland. In der Separatistenregion Transnistrien mit ihren gerade mal 500 000 Einwohnern, die wirtschaftlich und politisch von Moskau abhängt, wird fast nur Russisch gesprochen, während die meisten Bürger in der Republik Moldau zweisprachig Rumänisch (Moldauisch) und Russisch sind.

Die Äußerung des Generals ist aber auch strategisch von großer Bedeutung, gilt doch die Eroberung eines Landkorridors vom Donbass über Odessa bis nach Moldau schon lange als Minimalziel im Krieg gegen die Ukraine, falls eine Kontrolle über das gesamte Land militärisch nicht erreicht werden kann. Das moldauische Außenministerium hatte nach der Äußerung aus Jekaterinburg den russischen Botschafter einbestellt, um eine Erklärung für die Äußerung zu erhalten, die als direkte Bedrohung verstanden wird.

Weithin sichtbar: Das brennende Öldepot im russischen Brjansk. (Foto: Maria Pantyukhina/IMAGO/ITAR-TASS)

Nicht nur in Transnistrien, sondern auch in sechs westlichen und damit an die Ukraine grenzenden Bezirken Russlands wurde in der vergangenen Woche die Terrorwarnstufe auf Rot hinaufgesetzt. Denn die Unsicherheit darüber, wer und was hinter den möglichen Angriffen auf Ziele in Transnistrien steckt, wird - mit umgekehrten Vorzeichen - auch in Russland geteilt. Dort wurden Vorkommnisse verzeichnet, die entweder auf Sabotage ukrainischer Kräfte, auf False-Flag-Operationen russischer Agenten oder aber auf den Widerstand russischer Kriegsgegner zurückzuführen sind. So waren innerhalb weniger Tage in einer Chemiefabrik, einem Forschungslabor und einem Industriezentrum Großfeuer ausgebrochen; die Anlagen gelten alle als kriegsrelevant. Auch in der Stadt Brjansk sind vor zwei Tagen zwei Großfeuer ausgebrochen; ein zivil und ein militärisch genutztes Öldepot gingen in Flammen auf. Und erst vor wenigen Tagen war in der Oblast Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine ein Öldepot explodiert. Angesichts der Tatsache, dass laut Medienberichten seit dem 24. Februar bis zu 15 000 Russen wegen Protesten gegen den russischen Angriffskrieg verwarnt oder verhaftet worden sind, halten es Experten auch für möglich, dass einige Sabotageakte, ebenso wie in Belarus, auf das Konto von Kriegsgegnern gehen.

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