Mohammed-Kritik auf Twitter:Warum 21.000 Facebook-Nutzer den Tod eines Saudis fordern

Sie wollen die Exekution: Nach ein paar Tweets droht einem saudiarabischen Journalisten die Todesstrafe. Bemerkungen über den Propheten Mohammed wurden in seinem Heimatland aufs Schärfste kritisiert. Nach seiner Auslieferung durch Malaysia wurde er am Montag in Riad festgenommen.

Friederike Zoe Grasshoff

Das Internet vergisst nichts. Wenige Buchstaben können über ein Menschenschicksal entscheiden - zumindest im erzkonservativen Königreich Saudi-Arabien: Via Twitter führte der 23-jährige Journalist Hamsa Kaschgari ein fiktives Gespräch mit dem Propheten Mohammed. Einem Bericht der US-amerikanischen Nachrichtenseite The Daily Beast zufolge, schrieb er am 4. Februar: "An Deinem Geburtstag werde ich sagen, dass ich den Rebellen in Dir geliebt habe, dass Du mir immer eine Quelle der Inspiration warst und dass ich Deinen göttlichen Heiligenschein nicht mag. Ich werde nicht für Dich beten."

"An Deinem Geburtstag sehe ich Dich, wo auch immer ich hinschaue. Ich habe bestimmte Aspekte von Dir geliebt, andere gehasst und viele nicht verstanden."

An diesen Zeilen endzündete sich der Protest in seinem Heimatland: Auf Twitter gingen binnen kürzester Zeit 30.000 Kommentare ein, ein hochrangiges Komitee islamischer Geistlicher bezeichnete den Mohammed-Kritiker als "Ungläubigen" und forderte, ihn vor Gericht zu stellen.

Besonders emotional wird derzeit auf Facebook über den Verbleib des Saudis debattiert: Mehr als 21.000 Facebook-User haben sich der Seite "Das saudische Volk fordert die Exekution von Hamsa Kaschgari" angeschlossen, stündlich werden es mehr. Die hochgeladenen Bilder zeigen einen in Flammen aufgehenden Kaschgari, vereinzelt posten die User auch Bilder des Koran.

Das Porträt von Kaschgari, das im Internet kursiert, zeigt einen dunkelhaarigen Mann mit Mittelscheitel und leichten Augenringen. Er trägt ein weißes Hemd und blickt an der Kamera vorbei. Was hatte den 23-Jährigen dazu veranlasst, seine Kritik in die Weiten des Web hinauszutwittern?

Offenbar war Kaschgari schon vor dem Twitter-Eklat als kritischer Geist aufgefallen: Nach Informationen von Spiegel Online hatte er vorher als Kolumnist für die saudi-arabische Zeitung al-Bilad gearbeitet. Da seine Meinung nicht immer zur Ausrichtung des Blattes gepasst haben soll, sei er entlassen worden.

Angesichts der entrüsteten Reaktionen über seine Kritik am islamischen Religionsgründer entschuldigte sich Kaschgari für seine Äußerungen - und floh ins Ausland. Am Donnerstag wurde er auf dem Flughafen der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur festgenommen und nach Saudi-Arabien abgeschoben. Bei seiner Ankunft in Riad wurde er am Montag inhaftiert. Die beiden Staaten haben zwar kein Auslieferungsabkommen, unterhalten aber freundschaftliche Beziehungen.

Interpol distanzierte sich von Berichten über einen internationalen Haftbefehl gegen den Blogger. Die Polizeibehörde sei nicht in den Fall verwickelt, teilte die Behörde am Montag in Lyon mit.

Menschenrechtorganisationen hatten die malaysische Regierung aufgefordert, Kaschgari nicht auszuliefern, da ihm beim Gerichtsverfahren in Saudi-Arabien die Todesstrafe drohe.

Im strenggläubigen Königreich gilt der "Abfall vom Islam"- die gänzliche Ablehnung einer Religion - als Todsünde. Saudi-Arabien versteht sich als Gottestaat und hat die Scharia, das islamische Recht, in der Verfassung verankert. Der "Abfall vom Islam" gilt demnach als das schlimmste Verbrechen, das ein Mensch überhaupt begehen kann und wird mit dem Tode geahndet. Einem Bericht von Amnesty International zufolge wurden im Jahr 2010 in Saudi-Arabien mehr als 27 Todesurteile vollstreckt.

Ob die saudischen Religionswächter in Kaschgaris Tweets eine gänzliche Abkehr vom Islam sehen, ist unklar. In einem weiteren Tweet zum Geburtstag des islamischen Religionsgründers schrieb Kaschgari: "An Deinem Geburtstag werde ich mich nicht vor Dir verbeugen und nicht Deine Hand küssen. Stattdessen werde ich sie schütteln, wie Gleichgestellte es tun. Und ich werde Dich anlächeln, wie Du mich anlächelst. Ich werde zu Dir wie zu einem Freund sprechen und nicht anders."

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