Möglicher Militäreinsatz in Syrien:Deutschlands beschränkte Solidarität

Angela Merkel und Guido Westerwelle müssen im Wahlkampf keine Diskussion um einen deutschen Militäreinsatz in Syrien fürchten.

Angela Merkel und Guido Westerwelle müssen im Wahlkampf keine Diskussion um einen deutschen Militäreinsatz in Syrien fürchten.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

In den amerikanischen Überlegungen für einen Einsatz gegen Syrien spielt deutsche Hilfe ziemlich sicher keine Rolle. Merkel und Westerwelle akzeptieren gerne, dass anstelle der Wirtschaftsgroßmacht Deutschland andere Staaten die sicherheitspolitische Führung übernehmen. SPD und Grüne sollten sich vor einem Antikriegswahlkampf hüten - den verbieten die Bilder aus Damaskus.

Ein Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Das endlose Töten in Syrien hat Deutsche sehr unterschiedlicher politischer Überzeugungen in den vergangenen zwei Jahren im Gefühl der Ohnmacht vereint. Als einzige Gewissheit in dem komplizierten Konflikt teilten sie die Einsicht, dass die Opfer zu beklagen seien, ihnen aber von außen nicht wirklich geholfen werden könne. Auch der Einsatz von Giftgas konnte, wiewohl ein Zivilisationsbruch, diese Gewissheit nicht erschüttern. Nun aber, da Amerikaner, Briten und Franzosen sich zu einer militärischen Antwort durchringen, muss Deutschland das tun, was die Bundesregierung gerne vermieden hätte: Nach Kosovo, Afghanistan, Irak und Libyen muss Berlin wieder einmal Position beziehen zur militärischen Gewalt als Mittel der Politik.

Die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister haben damit bereits begonnen, indem sie neuerdings für den Fall erwiesener Schuld des Regimes Konsequenzen befürworten, von denen klar ist, dass sie militärischer Art sein werden. Das haben nicht die schrecklichen Bilder aus Damaskus bewirkt, sondern die Nachrichten vor allem aus Washington. Angela Merkel und Guido Westerwelle sahen sich gezwungen, auf einen raschen Stimmungsumschwung bei den Verbündeten zu reagieren. Nach den Erfahrungen mit der deutschen Enthaltung vor dem Libyen-Einsatz will die Bundesregierung diesmal jeden Anschein eines Bruchs vermeiden.

"Den" Westen gibt es gar nicht

Dabei wird die deutsche Position diesmal nur scheinbar eine völlig andere sein. Auch 2011 hatte die Kanzlerin den Alliierten viel Erfolg gewünscht in Libyen. Ihr Hauptanliegen aber war es gewesen, eine deutsche Beteiligung auch wegen bevorstehender Landtagswahlen auszuschließen. Diesmal erübrigt sich - obwohl in wenigen Wochen der Bundestag gewählt wird - diese Sorge. In den amerikanischen Überlegungen für begrenzte Angriffe auf syrische Einrichtungen spielt deutsche Hilfe mit ziemlicher Sicherheit keine Rolle. Von Deutschland erwarten die USA politische Unterstützung. Was konkrete Planungen angeht, so stehen die Partner in London und Paris bereit.

Deshalb wäre es auch eine grobe Übertreibung, nun von einer Reaktion des Westens auf den Giftgasangriff von Damaskus zu sprechen. "Den" Westen gibt es gar nicht, jedenfalls nicht als militärischen Verbund, der in diesem Fall gemeinsam handeln könnte. Die großen Bündnisse des Westens, die Nato und die Europäische Union, sind in die Entscheidungen dieser Tage nicht eingebunden. Sie werden bestenfalls um ihr Plazet gebeten.

Deutschland ist das wichtigste B-Land

Der Westen teilt sich überdies in A-Länder, die grundsätzlich bereit und in der Lage sind, auch militärische Macht anzuwenden - im Kern sind das die USA, Großbritannien und Frankreich. Die B-Länder schließen den Militäreinsatz nicht völlig aus, üben aber zumeist aus innenpolitischen Gründen große Zurückhaltung. Wo es geht, halten sie sich heraus. Das größte und wichtigste B-Land ist: Deutschland.

Das hat zu tun mit einer Verfassungsordnung, die historisch begründet hohe Hürden aufstellt für Auslandseinsätze - und einer Bevölkerung, in der das Misstrauen gegen militärische Mittel deutlich stärker ausgeprägt ist als die Bereitschaft, internationale Verantwortung auch dann zu übernehmen, wenn sie mit Risiken verbunden ist. Afghanistan hat die Deutschen darin bestärkt, dass sie mit ihrer Skepsis richtig liegen. Im Ergebnis akzeptiert die Bundesrepublik als Wirtschaftsgroßmacht, dass sicherheitspolitisch andere die Führung übernehmen. In Zeiten, da Deutschland als regionaler Hegemon beäugt wird, ist das zumindest eine interessante Nebenwirkung.

Moralische Großmannssucht der Linkspartei

Diese militärische Selbstbeschränkung wird indes von moralischer Großmannssucht konterkariert. "Kein Krieg in Syrien", skandieren Politiker der Linkspartei im Wahlkampf. Ganz so, als beginne ein Krieg immer erst dann, wenn die USA eingreifen, und als seien die 100.000 Toten Opfer von Verkehrsunfällen gewesen. Weit über die in diesem Fall schamlose Linkspartei hinaus ist es in Deutschland in Mode gekommen, die USA als Reich des Bösen zu karikieren. Dazu gehört es, Präsident Barack Obama mit seinem Vorgänger George W. Bush gleichzusetzen. Ignoriert wird, dass Bush den Irak-Krieg unbedingt wollte, während Obama eine Verstrickung in Syrien zu verhindern suchte. Wenn er nun handelt, dann deshalb, weil er den Einsatz geächteter Chemiewaffen nicht ungesühnt lassen will.

SPD und Grüne sollten sich hüten, dem Beispiel der Linkspartei zu folgen. Der Antikriegswahlkampf 2002 lebte von der Überzeugung, Deutschland habe sich richtig, also gegen Bush, positioniert. Auf diese einfache Formel lässt sich der Fall Syrien nicht reduzieren. Das verbieten die Fakten - und die Bilder aus Damaskus.

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