Süddeutsche Zeitung

Möglicher Deal mit NSA-Enthüller:US-Justizminister lockt Snowden

Die US-Regierung deutet an, dass sie zu einem Deal mit Edward Snowden bereit wäre. Der Whistleblower könnte in die Vereinigten Staaten zurückkehren, müsste dort aber mit einer Haftstrafe rechnen. Erfahrungen anderer Enthüller zeigen, was die Strategie hinter dem Angebot ist.

Von Johannes Kuhn

Eric Holder ist nicht nur Justizminister, er versteht sich auch auf die Nuancen politischer Rhetorik. Und so versah er seine Absage an Edward Snowden mit einer Fußnote: Eine Begnadigung des NSA-Enthüllers gehe "zu weit", sagte er dem Fernsehsender MSNB. Dieser habe immerhin "die Gesetze gebrochen und unserer nationalen Sicherheit geschadet".

Allerdings, schränkte Holder ein, sei sein Ministerium durchaus bereit, mit Snowdens Anwälten über eine Strafmilderung zu reden - wenn dieser im Gegenzug in die USA zurückkehren würde. Da war sie, die Fußnote, die zugleich Spekulationen zulässt: Ist das der Beginn des großen Feilschens um eine Rückkehr des Mannes, der die geheimen Spähprogramme der NSA und anderer westlicher Geheimdienste enthüllt hat?

Snowden selbst hatte kurz zuvor angedeutet, dass er sein unfreiwilliges Exil in Moskau gerne verlassen würde. "Es wäre das Beste, wenn ich in die USA zurückkehren könnte. Für die Regierung, die Öffentlichkeit und mich selbst", schrieb er in einem Chat auf der Seite Freesnowden.is. Allerdings sei dies aufgrund der gegenwärtigen Whistleblowerschutz-Gesetze nicht möglich. "Ein Fehler im Gesetz führt dazu, dass Sicherheits-Dienstleister wie ich dort nicht erfasst sind."

Rechtslage bietet Snowden wenig Möglichkeiten

Die Regeln für Whistleblower, die für die Regierung arbeiten, sind in der Tat kompliziert. Seit 2012 genießen sie größere Schutzrechte, wenn sie auf Missstände hinweisen, zudem müssen nun auch Mitarbeiter der Geheimdienste und Angestellte von Militär-Dienstleistern theoretisch nicht mehr mit Repressionen rechnen. Was fehlt, sind Schutzregeln für Mitarbeiter von Geheimdienst-Dienstleistern, zu denen Snowden als Angestellter von Booz Allen Hamilton gehörte, als er die Informationen stahl.

Dass diese Lücke geschlossen wird, ist unwahrscheinlich - zumal die US-Regierung Enthüllungen von Mitarbeitern ohnehin meist nicht als einen "patriotischen Akt" interpretiert, von dem Barack Obama einst als Präsidentschaftskandidat sprach. Vielmehr wird die Weitergabe von Informationen scharf sanktioniert - statt der Whistleblowerschutz-Gesetze kommt ein Anti-Spionage-Gesetz aus dem Jahr 1917 zum Einsatz, das die Offenlegung von Informationen als Zusammenarbeit mit dem Feind interpretiert.

Der US-Präsident hat auf Grundlage dieses Gesetzes mehr Verfahren gegen Enthüller eingeleitet als alle früheren Präsidenten zusammen. Acht Strafverfahren gab es bereits, der prominenteste Fall ist der der Wikileaks-Informantin Chelsea (früher: Bradley) Manning.

Auch gegen Snowden haben Bundesanwälte Anzeige wegen Spionage gestellt, unter anderem werfen sie ihm Diebstahl von Regierungseigentum und Geheimnisverrat vor. Dies ist die Grundlage für das laufende internationale Auslieferungsersuchen.

Diese Standard-Vorwürfe bringen viele der Enthüller dazu, sich mit der Staatsanwaltschaft auf einen Deal einzulassen. Sie gehen einige Zeit ins Gefängnis, vermeiden aber in vielen Fällen jahrzehntelange Haftstrafen.

"Als Verräter angesehen zu werden, von Familie und Freunden gemieden zu werden, hohe Anwaltskosten - all das gehört zu dem Plan, den Whistleblower in den Ruin zu treiben, ihn so zu schwächen, dass er so ziemlich alles gestehen wird, um den Fall loszuwerden." Diese Worte stammen von John Kiriakou. Ein Gericht hatte den CIA-Analysten wegen der Enthüllung systematischer Folter des Auslandsgeheimdienstes zu 30 Monaten Haft verurteilt.

Was passiert Ende Juli?

Kritiker werfen Snowden vor, dass er sich nicht an die entsprechenden Stellen gewandt habe, um seine Sorgen publik zu machen. "Hätte ich dem Kongress etwas über die geheimen, aber verfassungswidrigen Programme erzählt, dann wäre ich möglicherweise wegen Hochverrats angeklagt worden", verteidigte dieser sich im Chat.

Wegen Fülle und Brisanz des veröffentlichten Materials müsste der 30-Jährige im Falle einer Verurteilung mit einer langen Haftstrafe rechnen. Der Whistleblower kritisierte, dass er aufgrund der Anwendung des Anti-Spionage-Gesetzes "keine Chance auf einen fairen Prozess" habe. "Es gibt für mich keine Möglichkeit, nach Hause zu kommen und meine Argumente einem Geschworenengericht zu erklären."

Das klingt nach einer deutlichen Absage trotz ungewisser Zukunft: Ende Juli läuft Snowdens einjährige Asylgenehmigung für Russland aus.

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