Möglicher Annan-Nachfolger Brahimi:Von Krise zu Krise zu Krise

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Er ist ein Veteran der Diplomatie: Der Algerier Lakhdar Brahimi hat schon in vielen Krisen vermittelt, jetzt gilt er als Favorit für die Nachfolge von Kofi Annan als Syrien-Gesandter von UN und Arabischer Liga. Brahimi gilt als selbstkritischer Geist, seine Stärke ist die Kommunikation. Kann er damit bei Assad etwas ausrichten?

Matthias Kohlmaier

Libanon, Haiti, Südafrika, Afghanistan, Irak. Fast immer, wenn in den vergangenen 25 Jahren Länder Hilfe von den Vereinten Nationen benötigten, wurde ein Mann geschickt, um zu schlichten und zu vermitteln: Lakhdar Brahimi. Nun steht der mittlerweile 78-jährige Algerier vor der nächsten diplomatischen Herausforderung, vielleicht seiner größten.

Wie aus Diplomatenkreisen zu hören ist, gilt Brahimi als Favorit auf die Nachfolge von Kofi Annan als Syrien-Sondergesandter von UN und Arabischer Liga. Annan hatte den Posten Anfang August geräumt und das Scheitern seiner Mission eingeräumt. Sein Friedensplan hatte die Gewalt zwischen Rebellen und Regimetruppen nicht stoppen können, die derzeit in einer Entscheidungsschlacht um die Wirtschaftsmetropole Aleppo zu gipfeln scheint. Weitreichende UN-Resolutionen scheiterten an der Blockade Russlands und Chinas.

Brahimis erste und wohl wichtigste Aufgabe wird es sein, auf Moskau zuzugehen und das unbedingte Festhalten an dem Regime in Damaskus zumindest aufzuweichen.

Für den Algerier würde sich mit der Aufgabe in Syrien gewissermaßen ein Kreis schließen. Seine Karriere als Vermittler begann 1989 im Libanon, wo er als Gesandter der Arabischen Liga maßgeblich daran beteiligt war, den 15 Jahre andauernden Bürgerkrieg zu beenden.

Algerien, Haiti, Südafrika

Nach diesem diplomatischen Erfolg kehrte Brahimi in sein Heimatland Algerien zurück und wurde 1991 Außenminister des nordafrikanischen Landes. Nur zwei Jahre später folgte er jedoch der Bitte des damaligen UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali und wurde Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Haiti und wenig später für Südafrika.

Die Mission in dem von der Apartheid zerrissenen Land führte er bis zu den demokratischen Wahlen im Jahr 1994 an. Danach übernahm ein anderer für seine Friedensbemühungen bekannter Politiker die Geschicke Südafrikas: Nelson Mandela wurde zum Präsidenten gewählt.

Trotz seiner Verdienste im Dienst der Vereinten Nationen ist er auch als Kritiker der Organisation in Erscheinung getreten. 2000 analysierte er im "Brahimi-Report" das Scheitern vieler UN-Missionen in ungewohnter Offenheit: "Die Vereinten Nationen wurden gegründet, um, gemäß ihrer Charta, kommende Generationen vor der Seuche des Krieges zu bewahren. Im vergangenen Jahrzehnt hat die UN diese Aufgabe mehrfach nicht erledigt; und heute hat sich nichts verbessert."

Von dieser (Selbst-)Kritik angetrieben, entwickelte Brahimi bei seiner nächsten Mission in Afghanistan ein neues Konzept der Vermittlung in einem Krisengebiet. Er setzte ein Komitee von Wissenschaftlern und Journalisten ein, die das Land weit besser kannten als Diplomaten.

Die Gruppe arbeitete mit Afghanen aus vielen sozialen Schichten zusammen und behandelte nach der US-Invasion keine Seite als Sieger oder Verlierer. Brahimis Bemühungen mündeten in der Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg Ende 2001 und führten in der Folge zur Gründung einer Übergangsregierung unter Hamid Karsai, dem heutigen Präsidenten Afghanistans.

Fehler vergangener Missionen

Doch selbst bei seiner als großer Erfolg angesehenen Intervention in Afghanistan sah Brahimi noch einen aus heutiger Perspektive entscheidenden Fehler. Nach der Petersberger Konferenz hätte der Kontakt zu den Taliban gesucht werden müssen, erklärte er 2006 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Das haben wir versäumt, auch ich."

Auch im Irak, wo der Algerier von 2004 bis 2006 vermittelte und die Machtübergabe der einmarschierten USA an die Iraker vorbereitete, habe niemand mit der besiegten Armee Saddam Husseins gesprochen. Das sei die "Ursünde" in beiden Ländern, sagte Brahimi.

Ob sich seine Erfahrungen auf Syrien übertragen lassen, ist fraglich. Kofi Annan hatte nach seinem Rücktritt als Sondergesandter zu Reportern gesagt, Generalsekretär Ban Ki Moon werde vielleicht jemanden finden, der "einen besseren Job macht als ich". Er sagte aber auch: "Es gibt viele Verrückte auf der Welt, also seien sie nicht überrascht, wenn bald ein anderer dieses Projekt weiterführt." Einen Vorteil hätte Brahimi gegenüber Annan allerdings: Er spricht fließend Arabisch.

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