Mögliche Verhandlungen mit US-Regierung:Rätselraten über Snowdens Schicksal

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Ein Verräter, der riesigen Schaden verursacht hat: Bislang war das die Haltung vieler offizieller US-Stellen, Whistleblower Edward Snowden wurde dämonisiert. Doch die Formulierungen werden vorsichtiger. Anzeichen für einen möglichen Deal zwischen Snowden und der US-Regierung?

Der Geheimdienst überwacht intensiv und weltweit Internetverkehr und Telefonate, hört befreundete Staats- und Regierungschefs ab, auf ihren Servern speichern die Agenten ungehemmt Kommunikationsdaten: Das Ausmaß der Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA erschreckt auch ein Jahr nach den ersten Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden noch gewaltig.

Die Aufarbeitung der Affäre indes ist auch zwölf Monate später nicht recht vorangekommen. Noch immer ist nicht geklärt, ob Snowden für den NSA-Untersuchungsausschuss nach Deutschland kommen soll. Noch immer ist unklar, wo der Whistleblower künftig leben kann, wenn im Juli sein russisches Visum abläuft. Und immer noch existieren keine verlässlichen Angaben darüber, wie viele Dokumente Snowden während seiner Tätigkeit für die NSA abgegriffen hat.

Snowden hält sich seit vergangenem Sommer an einem geheimen Ort in Russland auf, das ihm für ein Jahr politisches Asyl gewährt hat. Die US-Justiz sucht den 30-Jährigen mit einem internationalen Haftbefehl und wirft ihm unter anderem Spionage vor. Bislang hatten US-Offizielle immer wieder lautstark erklärt, Snowden habe womöglich Millionen brisante Dokumente gestohlen. Den damit angerichteten Schaden wollten Regierungs- und Geheimdienstkreise gar nicht hoch genug einschätzen.

Snowden schließt Rückkehr nicht aus

Einem Bericht der Washington Post zufolge könnte sich nun jedoch eine Abkehr von dieser Linie andeuten. "Einige Dinge, von denen wir dachten, dass er sie hat, hat er anscheinend doch nicht bekommen", zitierte das Blatt den US-Geheimdienstkoordinator James Clapper. "Wir untersuchen das noch weiter, aber wir glauben, dass er vieles von dem, was er sich angesehen hat, nicht herunterziehen konnte." Die Zeitung berichtet weiter, Clappers Einschätzung weiche von den anfänglichen Befürchtungen der US-Geheimdienste ab, dass Snowden auch in das Kommunikationsnetz des US-Militärs eingedrungen sein könnte. Diese Sorge gebe es nun nicht mehr.

Die Aussagen könnten ein Schritt in Richtung einer Absprache zwischen Snowden und den US-Behörden sein. Der Whistleblower hatte zuletzt in einem Interview mit dem US-Sender NBC angedeutet, dass er sich eine Rückkehr in die USA vorstellen könne. Bedingung sei aber ein Deal mit den Strafverfolgern.

In der Vergangenheit hatte es immer wieder befürwortende Stimmen für eine solche Absprache gegeben. Die Washington Post zitiert in ihrem Bericht einen hochrangigen Offiziellen, der sich eine Vereinbarung unter bestimmten Umständen vorstellen kann. "Wenn er zurückkäme und uns alles sagte, was er weiß, wäre eine Vereinbarung unter Umständen möglich", wird die Person zitiert. Schwierig sei jedoch das Auftreten Snowdens: "Gespräche über ein solches Gesuch werden aber schwieriger, wenn jemand sich als Helden darstellt und eine Parade fordert", heißt es weiter.

Ungehinderter Zugriff auf alle Gespräche

Die Überwachung von Internet- und Telefonverkehr beschäftigt unterdessen auch viele Unternehmen. Erst am Freitag wurde bekannt, dass der Telefonanbieter Vodafone den Behörden in mehreren Ländern einen direkten und ungehinderten Zugriff auf alle Gespräche gewähren muss. Das geht aus einem Transparenz-Bericht des Konzerns hervor. Einem Bericht des Guardian zufolge ist Vodafone in insgesamt sechs Ländern verpflichtet, Behörden einen direkten Zugang zu den Telefonleitungen zu gewähren. Die Namen dieser Länder nannte Vodafone nicht. "Eine automatische Mitschneidemöglichkeit von außen gibt es in Deutschland aber definitiv nicht", sagte ein Sprecher.

Der Bericht von Vodafone weist allerdings auch für Deutschland Lücken auf. So darf das Unternehmen nicht öffentlich machen, wenn eine Überwachungsverfügung erteilt wurde. Rechtlich ungeklärt sei es, ob das Unternehmen zum Beispiel Statistiken darüber veröffentlichen darf, welche Behörden und Agenturen ihren rechtlichen Anspruch auf Herausgabe von Informationen geltend machen. Die Deutsche Telekom hatte Anfang Mai erstmals einen Transparenzbericht für Deutschland vorgelegt, der sich auf das Jahr 2013 bezieht. Wie der Guardian berichtet, will die Telekom den Bericht demnächst ausweiten und darlegen, welche Anfragen das Unternehmen von Regierungen weltweit erhalten hat.

Wie die New York Times berichtet, bemühen sich viele Technologiefirmen zunehmend darum, Geheimdiensten die Arbeit möglichst schwer zu machen. Demnach werden etwa die internen Datenströme auf den Servern vieler Firmen besser verschlüsselt. Außerdem wehren sich die Unternehmen vor Gericht zunehmend gegen den Versuch von Regierungen, Informationen über Kunden herauszugeben. Durch die Snowden-Enthüllungen war bekannt geworden, dass die NSA gezielt Schwachstellen etwa in der Software von Microsoft, Facebook, Yahoo oder Google ausnutzt.

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