Krim-Krise:Darum zögert Deutschland bei Russland-Sanktionen

Krim-Krise: Wie umgehen mit Russlands Präsident Putin? Darüber beraten Amerikaner und Europäer gerade.

Wie umgehen mit Russlands Präsident Putin? Darüber beraten Amerikaner und Europäer gerade.

(Foto: AFP)

Die USA wollen mit Einreiseverboten und Kontensperrungen den Druck auf Putin erhöhen. Damit diese Mittel gegenüber Russland den richtigen "Biss" haben, müsste auch die EU mitziehen. Doch vor allem Deutschland tut sich mit Strafmaßnahmen gegen Moskau schwer.

Von Barbara Galaktionow und Kathrin Haimerl

Es sind ungewöhnlich deutliche Töne, die Frank-Walter Steinmeier anschlägt: Von der schwersten Krise seit dem Mauerfall spricht Deutschlands Außenminister angesichts der russischen Aktionen auf der Krim. Die Gefahr "einer erneuten Spaltung Europas" sei real, sagt Steinmeier am Rande eines Treffens der EU-Außenminister. Verbal schlägt er sich damit auf die Seite der Hardliner.

Doch die Lösung des Konflikts sieht Steinmeier bislang nicht in Sanktionen. Er will weiter mit Russland reden - auch wenn es schwerfällt. Er setzt auf direkte und indirekte Verhandlung, pocht auf die Einsetzung einer Fact-finding-Mission unter der Leitung der OSZE sowie einer internationalen Kontaktgruppe.

Ganz anders die USA. Washington bereitet konkrete Maßnahmen gegen russische Offizielle vor, die in die "Krim-Besetzung" involviert seien; jegliche militärische Zusammenarbeit mit Moskau wird gestoppt und neben Sanktionen gegen russische Finanzinstitutionen werden auch Visabeschränkungen erwogen. Doch ohne Rückendeckung aus Europa würden die amerikanischen Sanktionen wohl nicht den richtigen "Biss" Putin gegenüber haben, schreibt die New York Times. Denn die USA zählen nicht einmal zu den zehn größten Handelspartnern Russlands.

Wie schwer sich die EU mit der Androhung von Sanktionen tut, wurde bei den Gesprächen der EU-Außenminister am Montag deutlich. Denn die 28 Mitgliedstaaten sind sich uneinig: Als Anführer der Hardliner gilt Schweden. Auch die ostmitteleuropäischen Länder Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei sowie die baltischen Staaten dringen auf eine schärfere Gangart. Eher zurückhaltend hingegen agieren Frankreich, Italien und Großbritannien.

Und auch Berlin legt sich nicht fest. Dabei kommt Deutschland in dem Konflikt eine Schlüsselrolle zu - nicht nur weil es 2012 Russlands drittgrößter Handelspartner war. Doch woher rührt die gemäßigte deutsche Haltung? Ist es die Abhängigkeit vom russischen Gas?

Nein, sagt Stefan Meister, Experte für deutsch-russische Beziehungen am European Council on Foreign Relations. Die deutsche Haltung werde in erster Linie durch politische Gründe bestimmt. Insbesondere bei Steinmeier sieht der Politikwissenschaftler immer noch die langgehegte sozialdemokratische Tradition in der Ostpolitik wirken, die des "Wandels durch Annäherung".

Frieden und Stabilität sind demnach nur gemeinsam mit Russland möglich. Meister nennt es "das Mantra der deutschen Sicherheitspolitik". Eine Verbesserung der Beziehungen könne nicht über eine Konfrontation, sondern eher dadurch erreicht werden, dass man - jenseits der oft schwierigen Tagespolitik - die gemeinsamen Interessen betont und zusammen Projekte verfolgt. Eine Isolation Moskaus erscheine Steinmeier daher nicht förderlich für eine Verhandlungslösung. "Deutschland spielt in dem Konflikt eine Sonderrolle, weil es nicht nur ökonomische Interessen hat und geopolitisch denkt, sondern eine konzeptionelle Idee hat", sagt Meister.

Ähnlich sieht dies Jan Techau, Direktor des Brüsseler Büros der US-amerikanischen Carnegie-Stiftung. Steinmeiers Haltung sei Ausdruck der klassisch deutschen Brückenbauer-Tradition: "Die Deutschen wollen keine Eskalation mit Russland."

Die Wirtschaft hält Boykott für "Blödsinn"

Die Experten führen also insbesondere politische Gründe für die deutsche Zurückhaltung an. Die wirtschaftlichen Gründe spielen zwar eine Rolle, sagt Techau, würden aber häufig überschätzt. Russland liegt für Deutschland nicht einmal unter den Top Ten der Handelspartner, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen.

Druck aus der Wirtschaft ist gleichwohl vorhanden - denn die beteiligten Unternehmen würden hart von einer Beeinträchtigung der Beziehung zu Russland getroffen. Mehrere Wirtschaftsexperten warnen in den Stuttgarter Nachrichten vor der Verhängung von Wirtschaftssanktionen und fordern sogar, den G-8-Gipfel nicht platzen zu lassen.

"Ein Boykott wäre Blödsinn", sagt etwa Klaus Mangold, langjähriger Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und früheres Daimler-Vorstandsmitglied. Er fordert stattdessen "vorgezogene Gespräche". Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft geht davon aus, dass allein in Deutschland etwa 200 000 Arbeitsplätze von Exporten nach Russland abhängen. In Russland selbst gab es der Deutsch-Russische Auslandshandelskammer zufolge 2013 mehr als 6100 Firmen die ganz oder teilweise in deutscher Hand sind.

Wichtig ist vor allem der Import russischer Energieressourcen. So bezieht Deutschland derzeit etwa ein Drittel seines Öls und fast 40 Prozent seines Gases aus Russland. Meister sagt: Insbesondere was das Gas betrifft, liegt das "an der Grenze zu dem, was Experten für eine zu hohe Abhängigkeit halten". Ein Importverbot in der EU für russisches Gas - das allerdings momentan noch nicht einmal diskutiert wird - würde Deutschland zwar treffen. Meister zufolge entstünde daraus erst einmal kein Versorgungsengpass, sondern vor allem ein Anstieg des Gaspreises. Und Techau von der Carnegie-Stiftung sagt: "Die Zeit spielt für uns", der Winter ist vorbei.

Für Russland wäre ein Exportverbot in die EU jedoch ein schwerer Schlag: Derzeit bezieht Moskau 70 Prozent seiner Exporteinnahmen aus dem Verkauf von Energieressourcen. Davon gehen 80 Prozent in die EU. Für diesen Ausfall gäbe es keine schnelle Alternative.

Die "potenziell schärfste Waffe"

Als "potenziell schärfste Waffe" in dem Konflikt sieht Carnegie-Experte Techau die "Finanzstellschraube". Mit dem Einfrieren von Vermögenswerten könne die EU Russland "empfindlich" treffen. Nur: "Es fällt uns schwer, diese Waffe zu benutzen. Denn das würde bedeuten, dass wir unseren eigenen Banken schweren Schaden zufügen müssten."

Das ist auch der Grund, warum die Briten, die sonst an der Seite der USA stehen, so zurückhaltend agieren. Kürzlich wurde ein Regierungspapier publik, in dem davor gewarnt wird, den Russen den Zugang zum Londoner Finanzmarkt zu versperren. Großbritannien solle keine Handelssanktionen gegen Russland unterstützen.

Das Instrumentarium, das die EU gegen Russland in der Hand hat, ist aus Sicht von Techau also begrenzt. Am Donnerstag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel über die Ukraine. Sollte Russland keine Schritte zur Deeskalation unternehmen, dann werde die EU über "Konsequenzen" für die bilateralen Beziehungen entscheiden, heißt es in der Erklärung der EU-Außenminister. Dazu zählten die Aussetzung bilateraler Gespräche über Visa-Fragen und über ein neues Rahmenabkommen der EU und Russland.

Auf sehr viel weitergehende Maßnahmen wird sich insbesondere Deutschland nicht einlassen, sagt Techau. Er fürchtet aber, dass diese Strategie nicht wirken werde. Im Gegenteil. Möglicherweise könnte dies Putin in seinem Zynismus noch befeuern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: