Mögliche Koalitionen:Mit wem die Union jetzt regieren kann

Bundestagswahl 2013

Steinbrück, Trittin und Merkel: Nach ihrem Wahlsieg stellt sich für Merkel die Frage, welche Koalition sie eingeht.

(Foto: dpa)

Die FDP ist raus, die Union braucht ein neues Bündnis. Die SPD ziert sich, doch sie wäre die realistische Wahl für Angela Merkel. Es sei denn, sie will Geschichte schreiben. Dann muss sie Schwarz-Grün wagen. Was für und gegen Merkels Machtoptionen spricht.

Von Michael König, Berlin

Ein einziges Mal hat Angela Merkel Widerspruch erdulden müssen an diesem Sonntagabend in der CDU-Parteizentrale, der ein Triumph für die Kanzlerin war. "Heute wird gefeiert, ab morgen wird wieder gearbeitet", sagte sie. Und ihr euphorisiertes Publikum antwortete: "Übermorgen! Übermorgen!"

Sie hat ihre Aussage dann auf jene beschränkt, die neben ihr auf der Bühne standen: Generalsekretär Hermann Gröhe etwa und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die auch Merkels Stellvertreterin als Parteivorsitzende ist. Am Montagmorgen werden sie schon um neun Uhr wieder zur Präsidiumssitzung im Konrad-Adenauer-Haus erwartet. Um elf Uhr schließt sich die Bundesvorstandssitzung an. Es geht um die Frage: Mit wem macht es Merkel jetzt?

Die FDP, der vermeintliche Wunschpartner, ist raus aus dem Bundestag. Zur absoluten Mehrheit hat es für die Union nicht ganz gereicht. Also muss eine Wiederauflage der großen Koalition her. Oder eine Koalition mit Schwarz-Grün.

Was für Schwarz-Grün spricht - und was dagegen

Bundestagswahl 2013

Bei Sekt und Wein kam manch ein Unionspolitiker am Wahlabend ins Grübeln. Ob Schwarz-Grün nicht die bessere Variante wäre? Es würde so gut zum historischen CDU-Ergebnis passen, wenn Merkel jetzt noch zeigt, dass sie es mit jedem kann. Drei Regierungen, drei verschiedene Koalitionspartner, das hat noch kein Kanzler geschafft.

Was dafür spricht: Die Grünen sprechen längst bürgerliche Wähler an, die CDU hat mit dem Atomausstieg die größte Hürde beseitigt. Beide Parteien wollen die Schöpfung bewahren und - im Grundsatz - die Energiewende herbeiführen. Den Kampf gegen die Massentierhaltung würde sich die CDU sicher gefallen lassen, auch bei der schärferen Kontrolle von Rüstungsexporten und der Geheimdienste käme man überein. Kita-Ausbau? Da gibt es Spielraum. Frauenquote? Passt mittlerweile auch der Union. Die Euro-Rettung haben die Grünen mitgetragen, Bundeswehr-Einsätze auch. Selbst der Veggie-Day, stetes Spottobjekt der CDU im Wahlkampf, basiert letztlich auf der christlichen Idee, einmal pro Woche kein Fleisch zu essen. Angeblich ist das auch in der CDU-Kantine Usus.

Und dennoch: Die Verhandlungen würden zäh werden. Die Vorbehalte sind groß, das Klima teilweise vergiftet. Zwar war es der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin, der in der TV-Elefantenrunde artig Merkel gratulierte, vor allen anderen. Doch sich mit ihm an einen Tisch zu setzen, das können sich nach der Pädophilie-Debatte viele Schwarze einfach nicht vorstellen. Und die Grünen erzählen gerne, dass die CDU bis 1995 gebraucht hat, um Vergewaltigung in der Ehe als Straftat anzuerkennen.

Spätestens in der Gesellschaftspolitik würden also die Fetzen fliegen. Homo-Ehe - für viele Unionisten ein Graus. Das Betreuungsgeld ist für viele Grüne ein Hassobjekt, die CSU wird es nicht wieder hergeben wollen. Aber auch die doppelte Staatsbürgerschaft wäre ein Zankapfel, genauso die Verkehrspolitik. Tempo 30? Nicht mit der CDU. Eine liberale Drogenpolitik? Da würden CDU-Hardliner Schnappatmung bekommen. Vorratsdatenspeicherung? In weiten Teilen der Union noch immer beliebt. Bei der Steuerpolitik haben die Grünen die SPD links überholt, das geht der CDU viel zu weit. Und auch bei der Energiewende gäbe es reichlich Detailfragen, etwa die grüne Forderung nach einem Kohle-Ausstieg bis 2030.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Hinzu kommt, dass Merkel im Bundesrat keinen Vorteil von Schwarz-Grün hätte. Und außerdem ist die andere Option wohl einfach zu naheliegend.

Schwarz-Rot - die alte Bekannte

Ja, Peer Steinbrück hat die Zähne gefletscht. Er könne es seiner Partei nicht empfehlen, eine große Koalition mit der CDU einzugehen, sagte er in der Elefantenrunde im Fernsehen. Dann doch lieber "starke Opposition". Er sprach damit vielen Sozialdemokraten aus der Seele. Die Erinnerungen an das Wahl-Desaster 2009 sind noch frisch. Manche meinen, die SPD leide bis heute daran, mit 2005 bis 2009 Merkel koaliert zu haben.

Die SPD wird sich deshalb zieren, sie wird einen hohen Preis für die Neuauflage verlangen, schon um ihre Basis zufriedenzustellen. Merkel muss ihr entsprechend entgegenkommen, um die Koalition halbwegs stabil zu gestalten. 2005 konnte sie die SPD mit acht Ministerien ködern. Diesmal ist ihr Vorsprung dafür zu groß. Also müssen gemeinsame Projekte her.

Steinbrück wollte den flächendeckenden Mindestlohn sofort und unbedingt, es war sein Prestigeobjekt. Hier wird sich die Union flexibel zeigen müssen, ebenso bei der Beschränkung der Leiharbeit. Die SPD hat soziale Gerechtigkeit versprochen, Merkel muss da liefern. Die Mietpreisbremse hatte sie eh auch im Programm. Höhere Steuern für Reiche? Da lässt die SPD vielleicht mit sich reden, um einen Kompromiss zu finden.

Bei Euro-Rettung und Außenpolitik waren beide Parteien ohnehin meistens d'accord. Darf sich Thomas Oppermann, Merkels größter Kritiker in Sachen NSA-Affäre, künftig persönlich als Innenminister darum kümmern, wäre das Problem auch aus der Welt. Energiewende? Wollen beide, gerne mit Kohle und Gas als Brückentechnologien. Anderswo wird es knirschen, etwa bei der Renten- und der Gesundheitsreform oder der Kontrolle der Finanzmärkte. Auch Betreuungsgeld und Homo-Ehe werden spannende Diskussionspunkte.

Was Merkel zudem abschrecken könnte, ist das SPD-Personal. Steinbrück steht als Minister nicht zur Verfügung, sagt er. Frank-Walter Steinmeier, Merkels ehemaliger Vizekanzler, will Fraktionschef bleiben. Franz Müntefering, Olaf Scholz, Ulla Schmidt - mit ihnen konnte Merkel gut. Sie sind alle nicht mehr da. Stattdessen: Manuela Schwesig, Andrea Nahles, Klaus Wiesehügel. Die kennt Merkel nicht.

Immerhin, mit Sigmar Gabriel kommt sie aus. Der muss allerdings erst mal seinen Posten als Parteichef behalten und seine Basis auf Kurs bringen. Bis dahin kann sich Merkel überlegen, ob Schwarz-Grün nicht doch eine erfrischende Alternative für Deutschland wäre.

Von den Bürgern gewollt, von den Parteien gehasst: Thorsten Denkler hat fünf Gründe gesammelt, wieso die schwarz-rote Koalition die einzige Lösung ist.

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