Mögliche Koalitionen in Hessen:Der menschliche Faktor

Die Koalition in Hessen wird umso schwieriger, je weniger die potenziellen Partner inhaltlich gemeinsam haben. In solchen Fällen kommt es besonders aufs Menschliche an. Bei Hessens CDU-Ministerpräsident Bouffier und seinem Herausforder von der SPD klappt das nicht so recht.

Ein Kommentar von Detlef Esslinger

Egal wer in Hessen jeweils gewinnt, ob es Schwarz-Gelb ist oder Rot-Grün - eines ist in dem Bundesland immer dasselbe: Es geht dort normalerweise extrem knapp zu. Der große Vorsprung, den CDU und FDP dort im Jahr 2009 vor der Opposition erzielten, war eine historische Ausnahme.

Seit Sonntagabend herrscht insofern wieder Normalzustand. "Hessische Verhältnisse" war ein Begriff, der Anfang der achtziger Jahre in der Bundesrepublik gängig wurde. Er stand nicht nur für knappe, sondern für ungeklärte Machtverhältnisse; für eine Regierung, die gemäß der Landesverfassung bloß "geschäftsführend" im Amt blieb - und dies deshalb, weil nach der Wahl keine neue Mehrheit zustande gekommen war. 1982 war dies so, und 2008 erneut. Hessische Verhältnisse, darunter darf man aber auch noch etwas ganz anderes verstehen.

Das ist ja in den vergangenen Jahren in Deutschland immer wieder mal vorgekommen: dass eine Regierungsbildung innerhalb eines politischen Lagers rechnerisch nicht möglich war. Daraufhin haben die Demokraten jeweils das getan, was Demokraten in solchen Fällen tun: sich zusammengerauft. Daher die schwarz-roten Koalitionen in mehreren Ländern und im Bund, daher auch mehrere Versuche mit Ampel-Bündnissen und sogar zwei schwarz-grüne Experimente. In Hessen ist weder 1982 noch 2008 auch nur der Versuch dazu unternommen worden. Wäre er nun in dem Bundesland denkbar?

Eine Koalition wird umso schwieriger, je weniger die potenziellen Partner inhaltlich gemeinsam haben. In solchen Fällen kommt es besonders aufs Menschliche an. Halten die Anführer einander wechselseitig für vertrauenswürdig? Können sie gelegentlich miteinander lachen? Zum Normalzustand in Hessen gehört aber auch, dass die Spitzenpolitiker jeweils die Spitzenpolitiker des anderen Lagers nicht ausstehen können. Der menschliche Faktor ist es, der die hessischen Verhältnisse kennzeichnet - zu besichtigen auch wieder am Sonntagabend.

Was wäre wohl ratsam für einen CDU-Ministerpräsidenten gewesen, der zwar an Prozentpunkten gewonnen hat und der eindeutig die stärkste Fraktion im neuen Landtag hinter sich haben wird, aber noch einen Koalitionspartner braucht? Wer sein Amt behalten will, der geht in einem solchen Moment auf andere zu.

Volker Bouffier jedoch sagte, in Hessen werde es nun entweder "stabile Verhältnisse" (also wohl eine Koalition der CDU mit der SPD) geben - oder einen "zweiten Wortbruch" (also ein Zusammengehen von SPD und Grünen mit der Linken, wie die SPD es 2008 schon einmal versuchte). Bouffier warb nicht um Schäfer-Gümbel und die SPD. Er versuchte, die Sozialdemokraten in die Ecke zu drängen.

Mag ja verständlich sein, dass er in dem Augenblick noch der pulverisierten FDP, dem langjährigen Partner, hinterhertrauerte. Wer aber dem einzig denkbaren Partner nur einen Platz fern von sich zuweist, der darf sich nicht wundern, falls der am Ende diesen Platz sogar nimmt.

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