Mögliche Koalitionen im Überblick:NRW treibt es bunt, Berlin könnte folgen

Rot-Grün, eine Ampel, oder regiert die SPD womöglich alleine? Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gibt Anlass für bunte Farbenspiele. Koalitionen, die bislang als unmöglich galten, sind plötzlich denkbar - auch wegen der Lindner-FDP. Was das für die Bundestagswahl bedeutet.

Bernd Dörries, Düsseldorf

Am 13. Mai wählt Nordrhein-Westfalen, das bevölkerungsreichste Bundesland. Wahrscheinlich ist, dass Hannelore Kraft (SPD) Ministerpräsidentin bleiben wird. Mit welcher Koalition sie regieren kann, ist aber noch offen. Viel hängt davon ab, wie viele Parteien es in den Landtag schaffen. Alles ist möglich: von drei bis zu sechs Fraktionen. Nur mit den Piraten will bisher noch niemand über Koalitionen sprechen. Es könnte ein buntes Farbenspiel geben - mit interessanten Signalen für die Bundestagswahl 2013.

Rot-Grün - ein schönes Zeichen für Berlin

Derzeit bekommt die rot-grüne Minderheitsregierung in Umfragen eine stabile Mehrheit: Die SPD liegt bei 40 Prozent, die Grünen liegen bei zwölf. Das würde reichen. Sowohl Hannelore Kraft als auch die grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann haben sich klar zu einer Fortsetzung des Bündnisses bekannt. Für Politiker beider Parteien wäre ein Erfolg auch ein schönes Zeichen für Berlin: Es ist wohl die letzte Möglichkeit vor der Bundestagswahl 2013, die Trendwende zu schaffen: Die Wahl im Mai sei ein Zeichen für die "Begrünung der Republik" sagt Löhrmann.

Intern machen sich die Grünen in Düsseldorf aber Sorgen: Sie halten die Sache noch lange nicht für gewonnen. Die Partei hat ihren Zenit überschritten, vor einigen Monaten kam sie in Umfragen noch auf 20 Prozent, jetzt geht die Tendenz nach unten. Dabei waren Löhrmann und ihre Mitstreiter in der Minderheitsregierung lange der selbstbewusstere Partner, haben Hannelore Kraft in das Experiment erst hineingetrieben und hätten sich schon vor einem Jahr Neuwahlen vorstellen können.

Die Grünen waren sich sicher, diesmal nicht als Verlierer aus einer Koalition mit den Sozialdemokraten hervorzugehen, wie das sonst oft der Fall war, ob im Bund oder im Land. Mittlerweile hat sich die Lage etwas verändert: Die lange zwischen 32 und 35 Prozent stagnierende SPD hat kräftig zugelegt, der Amtsbonus von Kraft macht sich bemerkbar.

Noch vor einem Jahr hätten sich die Grünen nach Neuwahlen wahrscheinlich ein viertes Ministerium wünschen können, nun müssen sie um die Koalition kämpfen. Denn selbst wenn beide Parteien zusammen auf ein Ergebnis von 46 bis 48 Prozent kommen würden, könnte das nicht reichen, wenn FDP und Piraten - womöglich auch die Linkspartei - es ebenfalls ins Parlament schaffen.

Rot-Gelb-Grün - eine Konstellation der Not

Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen ist ein bisher wenig getestetes Bündnis. Es ist eine Konstellation der Not, keine Allianz von politischen Überzeugungen, die sich ergänzen oder zumindest vertragen. Trotzdem geistert die Ampel durch die Köpfe einiger Politiker in Düsseldorf.

Bei der FDP werden manche schon übermütig, sehen die Partei dank des Spitzenkandidaten Christian Lindner nicht nur wieder im Landtag, sondern auch in der Regierung. Und auch mancher in den Berliner Parteizentralen von SPD und Grünen fände eine Ampel durchaus eine gute Idee, eine Alternative zu Rot-Grün im Bund, das dort weit von einer Machtperspektive entfernt ist.

Vor allem Berliner Sozialdemokraten reden derzeit auffällig oft über die Ampel. Die ist zwar zunächst eine nette Idee, birgt aber in Düsseldorf praktische Probleme. Vor allem Grüne und FDP sind sich in inniger Abneigung verbunden. Bereits nach der Landtagswahl 2010 wurde ein Ampelbündnis sondiert: Nach einigen Treffen konnte man deren Vertreter lachend ein Bier zusammen trinken sehen, sie waren froh, es nicht miteinander versuchen zu müssen. Es war der einzig harmonische Teil der Sondierungsgespräche.

Andererseits hat bei der FDP nicht mehr Fraktionschef Gerhard Papke das Sagen, der damals eine Ampel mehr oder weniger im Alleingang verhinderte. Nun entscheidet Lindner, und der kann sich eine Ampel vorstellen. So wie sich umgekehrt fast alle Parteien plötzlich vorstellen können, mit den eben noch verpönten Liberalen zu koalieren. Wenn sie von Lindner geführt werden.

Rot-Schwarz - wohl nur dritte Wahl

Rein vom Ergebnis her hätte es nach der Wahl im Mai 2010 eigentlich eine große Koalition geben müssen. Hannelore Kraft war damals nur gefühlte Wahlsiegerin, die CDU stärkste Partei. Die Sozialdemokraten machten den Abgang von Jürgen Rüttgers zur Bedingung für eine große Koalition mit einem CDU-Ministerpräsidenten, Rüttgers aber wollte nicht gehen.

Immer mal wieder ließ die CDU auch in Zeiten der Minderheitsregierung einen Testballon in Richtung der SPD steigen, ob man es nicht doch versuchen wolle: eine stabile Mehrheit, zum Wohle des Landes. Die Grünen hat das stets ein wenig nervös gemacht. Die große Koalition sei eine reale Gefahr, sagt nun Fraktionschef Reiner Priggen. Vor allem in einem sechs-Parteien-Parlament.

Aus Berlin funkt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe dieser Tage, ein solches Bündnis sei doch sehr gut vorstellbar. Wohl auch für Angela Merkel, die lieber mit der SPD regierte als jetzt mit den Liberalen. Nur: In Nordrhein-Westfalen wäre die CDU aller Wahrscheinlichkeit nach Junior-Partner in einer solchen Konstellation. Das wäre ungewohnt.

Nach dem verpatzten Wahlkampfstart von Norbert Röttgen glauben in der CDU aber nur wenige daran, dass es noch möglich ist, stärkste Partei zu werden. In der Frage der Finanzpolitik gehen SPD und CDU derart auf Konfrontationskurs, dass es nur schwer möglich sein wird, bei diesem zentralen Thema wieder zusammenzufinden. Die große Koalition ist für die Genossen wohl nur dritte Wahl.

Schwarz-Grün - nicht annähernd eine Chance

Über keine andere Koalition wurde so viel geredet in den vergangenen Jahren. Und keine andere Konstellation hat in der Praxis so wenig vorzuweisen. In Baden-Württemberg sollte sie lange kommen, in Hamburg ging sie schnell in die Brüche.

In Nordrhein-Westfalen war Schwarz-Grün vor den Landtagswahlen 2010 eine reale Option, vor allem Grüne wie der Fraktionschef Reiner Priggen wären sie gerne eingegangen. Eingegangen ist aber lediglich die Perspektive, die Umfragewerte geben Schwarz-Grün nicht einmal annähernd eine Chance.

Rot - unwahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen

Manche Sozialdemokraten im Ruhrgebiet haben weiterhin das Gefühl, dass Nordrhein-Westfalen Johannes-Rau-Land ist, und alles andere ein Irrtum der Geschichte war. Eine absolute Mehrheit für die SPD ist sehr unwahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen: Kommen neben der SPD nur CDU und Grüne ins Parlament und erzielen schwache Ergebnisse, könnte Kraft womöglich alleine regieren.

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