Mögliche Klage gegen Obama:Riskantes Manöver der Republikaner

John Boehner

John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, will US-Präsident Barack Obama verklagen.

(Foto: AP)

Kampfansage an den "Kaiser Obama": Die Republikaner im Repräsentantenhaus möchten den US-Präsidenten vor Gericht zerren, weil dieser die Verfassung breche. Doch der Schritt ist juristisch umstritten und könnte sogar den Demokraten helfen.

Von Martin Anetzberger

Vor der Abstimmung im US-Repräsentantenhaus wurde John Boehner pathetisch. "Sind Sie bereit, einen Präsidenten entscheiden zu lassen, welche Gesetze er umsetzt und welche er ändert?", fragte der Speaker die Abgeordneten, die mehrheitlich seiner Republikanischen Partei angehören.

Und natürlich stimmte diese Mehrheit dafür, das "Erbe der Verfassungsväter" zu schützen und unterstützte deswegen Boehners Forderung, US-Präsident Barack Obama zu verklagen. 225 Abgeordnete votierten mit "Ja", 201 stimmten dagegen; fünf Republikaner folgten Boehner nicht. Es ist ein beispielloser Vorgang in der amerikanischen Geschichte, dessen Rechtmäßigkeit unter Juristen umstritten ist. Der Vorwurf der Republikaner: Obama habe bei der Umsetzung des Gesundheitsgesetzes seine Kompetenzen überschritten und somit die Verfassung gebrochen - und das nicht zum ersten Mal. Der Demokrat agiere wie ein Kaiser, heißt es etwa in einem konservativen Strategiepapier.

Grund für den Streit sind die weitreichenden Befugnisse eines US-Präsidenten. Er kann sogenannte "executive orders" erlassen und mit diesen "präsidentiellen Anordnungen" Gesetze zum Teil nach eigenem Ermessen ausgestalten. Das hat Obama zum Beispiel beim Klimaschutz getan, als er strenge Emissionsgrenzen für Kohlekraftwerke festsetzte. Dass konservative Präsidenten wie George W. Bush oder Ronald Reagan viel häufiger "executive orders" einsetzten als Obama, kümmert John Boehner und die Seinen nicht.

Obamas Demokraten sind im Repräsentantenhaus in der Minderheit und bei der Verabschiedung von Gesetzen also auf Zugeständnisse der Republikaner angewiesen - doch die sind eigentlich nie zu Kompromissen bereit. Mit ihrer Mehrheit brachten die Republikaner beispielsweise Obamas Einwanderungsreform zu Fall, die schon lange in den USA lebenden, illegal eingewanderten Menschen ein faktisches Bleiberecht verschafft hätte. Die Demokraten warfen Boehner in der gestrigen Debatte diese ständige Blockadehaltung vor - so sei es auch bei der Erhöhung des Mindestlohns oder dem Ausbau der Arbeitslosenversicherung gewesen.

Welche Parteibasis wird stärker mobilisiert

Die Auseinandersetzung findet vor dem Hintergrund der Kongresswahlen im November statt. Es geht um die Deutungshoheit und darum, die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Sollten die Demokraten auch im Senat ihre Mehrheit verlieren (Details hier), wird es für Obama während des Rests seiner zweiten Amtszeit endgültig aussichtslos, Politik zu gestalten. Doch der Vorstoß der Republikaner könnte ihm nun zum Vorteil gereichen.

Denn John Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, hat sich gleich zwei Probleme eingebrockt. Die Demokraten stellen seine Klage gegen Obama als Versuch dar, eine Amtsenthebung (impeachment) gegen den Präsidenten vorzubereiten. Eine CNN-Umfrage zeigt jedoch, dass fast zwei Drittel der Amerikaner ein derartiges Verfahren ablehnen, selbst unter Anhängern der Republikaner sind nur 42 Prozent dafür.

Die Demokraten stellen den politischen Gegner als abgehoben, verbohrt und kompromisslos dar und nutzen die Republikaner-Kampagne nach eigenen Angaben sehr erfolgreich, um Millionenspenden für den Wahlkampf einzuwerben. Das Votum für eine Klage nennen ihre Strategen ein "politisches Theater" und beklagen die Verschwendung von Zeit und Steuergeldern. Die Partei sammelt sich hinter ihrem Präsidenten.

Konservative reagieren zutiefst gespalten

Einigkeit, das war genau das, was John Boehner zu erreichen hoffte. Doch das Votum seiner Abgeordneten im Repräsentantenhaus täuscht hinweg über den Zustand seiner zutiefst gespaltenen Partei. Seine Klage - von US-Medien schon als "Impeachment light" tituliert - vermag es nicht, den ultrarechten Flügel zu befrieden. Tea-Party-Ikone Sarah Palin forderte umgehend ein Impeachment ohne "light" und schürte damit einen parteiinternen Streit, den Boehner unbedingt vermeiden wollte.

Gemäßigte Konservative setzen Boehner von der anderen Seite unter Druck. Der einflussreiche Blogger Erick Erickson sprang demokratischen Kritikern bei und sprach ebenfalls von Theater und Steuerverschwendung. Mark Levin, früherer Mitarbeiter von Präsident Ronald Reagan und heute einflussreicher Radiomoderator, bezeichnete Boehners Zug als "dämliche Aktion".

Und Barack Obama? Der Präsident reiste vor der fünfwöchigen Sommerpause des Kongresses nach Kansas City, um dort über sein Wirtschaftsprogramm zu sprechen und die kräftigen Wachstumszahlen zu betonen. Zur Initiative der Republikaner äußerte er sich präsidial: "Hören Sie auf, die ganze Zeit nur zu hassen. Gehen wir an die Arbeit und lassen Sie uns einige Probleme lösen."

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