Jeder Politiker kennt die Grundregel im internationalen Geschäft: In die inneren Angelegenheiten eines Staates mischt man sich nicht ein. Zumindest nicht, wenn sie im Prinzip klar geregelt sind, wenn alles nach den Buchstaben des Gesetzes abläuft.
Das schottische Referendum ist so eine innere Angelegenheit des Staates Großbritannien. Das Referendum ist legitim, das Anliegen ausführlich politisch begründet, ihm wurde hinreichend widersprochen, und nun liegt es am Souverän, die Entscheidung zu treffen.
Und dennoch gärt es in Europa. Wenn die Schotten über ihre Unabhängigkeit abstimmen, dann ist das eben keine reine innere Angelegenheit mehr. Eine Abspaltung hätte dramatische Folgen für Europa und sogar die Welt. Das Königreich mag eine Insel sein, aber seine Politik ist mehr als vernetzt.
Deshalb hat sich als erster der schwedische Außenminister Carl Bildt in diesem Sommer zu Wort gemeldet, der vor einer "Balkanisierung" der britischen Inseln warnte. Inzwischen haben sich auch ein paar Mutige aus den USA vorgewagt und sich die inneren Angelegenheiten vorgenommen: Der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Senator John McCain kann sich mit der Idee der Spaltung genauso wenig anfreunden wie der frühere Zentralbankchef Alan Greenspan.
Die Risiken der Trennung sind enorm
Während die britische Zentralbank große Bargeldreserven nach Schottland schafft, um auf einen Sturm auf die Geldautomaten am Tag nach dem Referendum vorbereitet zu sein, beißen sich in fast allen Hauptstädten der EU die Staats- und Regierungschefs auf die Lippen und hoffen auf ein glimpfliches Ende dieser Spaltungsgeschichte. Denn die weitgehend einhellige Meinung sieht große Probleme für Europa und die Staatenwelt heraufziehen, sollte sich Schottland vom Königreich lösen.
Die größten Probleme müssen dabei die Rest-Briten selbst befürchten. Von der Rigorosität der Debatte überrumpelt traut sich kaum ein Politiker seiner Majestät, den Schotten vor der Abstimmung eine Zumutung zu bereiten. So fiel es dem Autor und Fernsehmann Jeremy Paxman zu, den "wahren Skandal" zu benennen: "Die Hälfte der Union ist von der Entscheidung über ihre Zukunft ausgeschlossen."
Und diese Zukunft sieht für England, Wales und Nordirland nicht rosig aus. Wäre Großbritannien geteilt, verlöre es einen bemerkenswerten Teil seines Staatsgebietes und seines Staatsvolkes mit unmittelbaren Folgen für sein weltpolitisches Gewicht. Die volkswirtschaftlichen Eckdaten würden Großbritannien auf der Rangliste der Weltökonomien nach unten drücken, das Stimmgewicht in internationalen Gremien bis hin zum Europaparlament müsste justiert werden.
Und obwohl die Mitgliedschaft im Club der sieben stärksten Industrienationen inzwischen eher willkürlich festgelegt wird, würde der britische Absturz Fragen über den Verbleib in den G 7 aufwerfen. Ökonomen gehen allemal davon aus, dass eine Spaltung tiefe Auswirkung auf den Finanzplatz London hätte, weil das Land auf Jahre mit seiner Selbstorganisation beschäftigt wäre und womöglich sein wichtigstes Bündnis aufgäbe: die Mitgliedschaft in der EU.