Süddeutsche Zeitung

Mobilität:230 000 Flüge in einem Jahr

Warum Bundestagsabgeordnete und andere Bundesbedienstete auch im Inland so selten Zug fahren - und wo sie am meisten unterwegs sind.

Von Jan Bielicki

Fast 230 000 Mal sind im vergangenen Jahr Mitarbeiter von Bundesministerien, Bundesbehörden und Bundestag sowie dessen Abgeordnete per Flugzeug auf Dienstreise im Inland gegangen. Genau 229 116 Tickets für Inlandsflüge sind 2018 über das zentrale Dienstreiseportal des Bundes, das sogenannte "Travel Management System", gebucht worden, wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag einen Bericht der Zeitung Die Welt bestätigte. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Jahr zuvor: 2017 waren noch 294 336 Flugscheine für innerdeutsche Dienstreisen von Abgeordneten und Bedienstete von Bundesbehörden ausgestellt worden. Entsprechende Zahlen zu Dienstreisen mit der Bahn lägen dagegen nicht vor, sagte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage.

Mehr als die Hälfte, nämlich 52 Prozent der Tickets waren 2018 für eine einzige Flugverbindung gültig: der zwischen Berlin und dem Flughafen Köln/Bonn. In der ehemaligen Hauptstadt Bonn haben sechs Bundesministerien ihren ersten Dienstsitz, dazu sind auch einige Bundesbehörden am Rhein daheim. Die Pendelei von Beamten zwischen altem und neuem Regierungssitz trägt dazu bei, dass die Strecke zwischen Berlin und Köln/Bonn laut einem Bericht des Fachportals airliners.de die Flugroute mit dem höchsten innerdeutschen Originäraufkommen ist - auf der also die meisten Flüge stattfinden, bei denen die Passagiere nicht zu anderen Flügen umsteigen. Demnach starten gemäß Flugplan im Sommerhalbjahr 2019 zwischen Berlin und Köln/Bonn insgesamt 7400 Flüge mit 1,2 Millionen angebotenen Sitzplätzen.

Dass nicht mehr Bundesbedienstete bei diesem Trip in die Bahn umsteigen, liegt wohl sowohl an der Dauer wie den Kosten der Reise. Nur wenige Züge am Tag schaffen es in weniger als fünf Stunden von Berlin nach Bonn oder zurück. Und bei rechtzeitiger Buchung ist ein einfacher Flug oft schon für 40 Euro zu haben. Das ist ein Preis, den die Bahn nur selten und meist nicht für die schnellste Verbindung anbietet. Laut der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz werden Flugkosten bei innerdeutschen Dienstreisen dann erstattet, wenn der Flug aus dienstlichen oder wirtschaftlichen Gründen "geboten ist" - also vor allem auch dann, wenn geringere Reisekosten als bei der Bahnfahrt entstehen.

Allerdings kauft der Bund für jede Dienstreise per Auto oder Flieger, die in seinen 121 Ministerien und Behörden anfallen, sogenannte Emissionsgutschriften. Das dafür ausgegebene Geld soll den Ausstoß von Kohlendioxid an anderer Stelle - vor allem durch die Förderung von Klimaprojekten in Asien und Afrika - ausgleichen. 2017 gab das zuständige Umweltbundesamt 1,7 Millionen Euro aus, um etwa 300 000 Tonnen CO₂ auszugleichen, die bei Dienstreisen des Bundes anfielen. Für 2018 muss das Amt etwa 309 000 Tonnen Kohlendioxid kompensieren, wie ein Amtssprecher erklärte. Die Ausschreibung für die entsprechenden Klimaprojekte läuft gerade, ein Preis könne daher nicht genannt werden.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2019
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