Mittelmeergipfel:Bühne für seltene Schnappschüsse

Mehr als 40 Staatschefs teils verfeindeter Länder aus der EU und aus Anrainerländern sollen am Mittelmeergipfel in Paris teilnehmen - mit Spannung wird erwartet, wie die Konferenz angesichts der Animositäten verlaufen wird.

Martin Winter

Wer Diplomaten nach dem Stand der Vorbereitungen des Gipfels zwischen der EU und den übrigen Anrainern des Mittelmeeres fragt, der erntet zweierlei: Zum einen die Auskunft, dass man vor allem mit "Protokollfragen" beschäftigt sei. Und zum anderen die Einschätzung, dass man schon froh wäre, wenn am Sonntag in Paris ein neuer Anlauf für die mediterrane Zusammenarbeit "begonnen" werden könne.

Mittelmeergipfel: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat seinen EU-Partnern die Umwandlung des "Barcelona-Prozesses" in eine "Union für das Mittelmeer" abgepresst

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat seinen EU-Partnern die Umwandlung des "Barcelona-Prozesses" in eine "Union für das Mittelmeer" abgepresst

(Foto: Foto: AP)

Das ist ein bescheidenes Ziel, nachdem der französische Präsident Nicolas Sarkozy seinen EU-Partnern die Umwandlung des zwölf Jahre alten und arg bürokratischen "Barcelona-Prozesses" in eine mehr politische "Union für das Mittelmeer" im Frühjahr abgepresst hatte.

Sein Plan einer Mittelmeerunion mit zwei Präsidenten, einem Sekretariat und einem ständigen Ausschuss bedarf noch über den Sonntag hinaus weiterer Beratungen. Und ob er jemals Wirklichkeit wird, darauf mag gegenwärtig kaum jemand in Brüssel eine Wette abschließen.

Die Antwort, warum das so ist, findet sich in den zähen Protokollgesprächen der vergangenen Wochen. Da musste sorgsam austariert werden, wer wem aus dem Weg gehalten werden muss und wer mit wem auf keinen Fall im Bild erscheinen will.

Kein Familienfoto

Die Animositäten unter den arabischen Führern sowie die zwischen ihnen und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert zum Beispiel sind so groß, dass das bisherige Gipfelprogramm entgegen der Gepflogenheiten kein Familienfoto vorsieht. Der syrische Präsident Baschar el-Assad dürfte von seinem libanesischen Kollegen mit Misstrauen beobachtet werden.

Libyens Herrscher Muammar el Gaddafi kommt erst gar nicht, weil er hinter Sarkozys Plan eine neue Art der kolonialen Bevormundung vermutet. Wer sonst noch zu Hause bleibt, wird man erst am Sonntag sehen.

Es ist die Uneinigkeit unter den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens, die es den Europäern so schwer macht, mit ihnen eine Union für das Mittelmeer zu gründen. Immer wieder stießen europäische Diplomaten bei den Verhandlungen auf das Problem, dass eine gemeinsame Willensbildung unter diesen Ländern fast nicht möglich ist.

So musste Kairo wochenlang auf Mauretanien, Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Israel, die Palästinenser, Libanon, Syrien, Jordanien und die Türkei einreden, damit der ägyptische Präsident Hosni Mubarak gemeinsam mit Sarkozy als erstes Gespann dieser neuen Union vorsitzen darf.

Zur Gründung eines gemeinsamen Sekretariats wird die Kraft wohl noch nicht langen. Was aber nicht so dramatisch ist, weil es auch um die Sitzfrage noch Streit gibt. Barcelona ist im Gespräch. Auch Tunis oder Malta. Auf eines legen besonders die Deutschen dabei Wert: Es muss ein Ort sein, zu dem die Israelis ungehinderten und ungefährdeten Zugang haben.

Da die Strukturen der Mittelmeerunion also noch einiger Verhandlungen bedürfen, versucht Paris, auf dem Gipfel wenigstens eine Liste von Projekten durchzukriegen. Zum Beispiel die Einrichtung fester Transportwege über das Mittelmeer oder die Beschleunigung der Arbeiten an einer mediterranen Freihandelszone.

Neues Geld freilich wird es dafür nicht geben. Insgesamt 16 Milliarden Euro hat die EU seit 1995 bis heute im Rahmen des "Barcelona-Prozesses" für die Länder der Region zur Verfügung gestellt. Davon müssen nun auch die neuen Projekte finanziert werden. Manche Diplomaten hängen ihre Erwartungen inzwischen ganz tief. Es wäre schon ein Erfolg, wenn das Treffen in Paris dazu beiträgt, die "Atmosphäre zu verbessern".

Das eigentlich Wichtige dieses Gipfels könnte also an seinem Rand passieren. Was bereden Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Abbu Abbas? Und gelingt dem weitgehend geächteten Assad mit Sarkozys Hilfe die Rückkehr auf die internationale Bühne?

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