Mittelmeer-Streit:Ziemlich schlechte Idee

Russlands Präsident Putin sollte nicht im Streit zwischen der Türkei und Zypern vermitteln. Sein Land hat eigene Interessen.

Von Tomas Avenarius

Einer, der in Not ist, greift nach der ausgestreckten Hand. Und wenn da keine Hand ist, dann ruft er nach einer. Der zypriotische Präsident Nikos Anastasiades ist in großer Not. Vor den Küsten seiner Insel kreuzen zwei türkische Bohrschiffe, sie suchen auf dem Meeresgrund nach Erdgas, ohne das nötige Einverständnis Zyperns. Die Aktion der türkischen Schiffe ist ein klarer Rechtsverstoß, eine gezielte Provokation und ein kalkulierter Spielzug des wie gewohnt hemdsärmelig auftretenden türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan. Erdoğan will in dem vertrackten Konflikt um die Rohstoffe im östlichen Mittelmeer Tatsachen schaffen. Wo ihm das nicht gelingt, will er seine Gegenspieler wenigstens zu Verhandlungen zwingen.

Der hilflose Zypern-Präsident hat daher in Moskau angerufen und den dortigen Staatschef um Vermittlung gebeten. Dieser solle doch bitte mit dem Türken sprechen, er möge Erdoğan zügeln. Das war eine schlechte Idee. Es gibt kaum einen, der ungeeigneter wäre als Wladimir Putin, sich als Vermittler im Mittelmeerstreit zwischen der Türkei und den EU-Staaten Griechenland und Zypern zu versuchen. Putin kann und will kein ehrlicher Makler sein. Denn Russland hat eigene Interessen: im Mittelmeer, gegenüber der EU, der Nato und der Türkei.

Umso absurder, dass der Präsident eines EU-Staates in Moskau anruft und nicht in Brüssel. Die EU-Außenpolitiker hätten den Zyprioten daran erinnern können, welche strategischen Ziele Putin verfolgt: die Schwächung der EU und der Nato. Moskau sucht traditionell Zugang zum Mittelmeer, will dort schon immer Militärstandorte haben. Das ist unter Putin nicht anders, als es während des Kalten Kriegs war. Die russische Beteiligung an den Konflikten in Syrien und Libyen dient dem Ziel, dem Kreml Tiefwasserhäfen und Militärflugplätze an der weichen Südflanke der Nato zu verschaffen. Und welche Rolle Zypern für die Nato spielt, sollte man in Nikosia wissen: Die Insel gilt als der unsinkbare Flugzeugträger des westlichen Bündnisses im Mittelmeer; die Briten haben auf Zypern eine Luftwaffenbasis und eine Abhörstation.

Warum sollte es Merkel nicht gelingen, zwischen Zypern und der Türkei zu vermitteln?

Auch die EU selbst ist dem russischen Staatschef am nützlichsten, wenn sich ihre Mitglieder tüchtig zanken. Als Vermittler zwischen der Türkei und den EU-Staaten Griechenland und Zypern würde Putin die Chance nutzen, das europäische Lager weiter zu spalten. Der türkische Präsident liegt mit der EU ohnehin über Kreuz, wegen der Flüchtlinge, der Beitrittsverhandlungen sowie der Menschenrechte. Und der türkische und der russische Staatschef betreiben in Syrien und Libyen gemeinsam (und gelegentlich gegeneinander) seit Jahren eine Politik, die der EU wie auch der Nato schadet. Diesen beiden Staatsmännern die Chance zu geben, den Mittelmeerstreit in ihrem Sinne zu lösen, wäre eine Bankrotterklärung der EU.

Vor gut zehn Tagen wollten türkische Bohrschiffe vor der griechischen Insel Kastellorizo an der Küste der Türkei arbeiten. Auch dies wäre ein Rechtsverstoß gewesen. Türkische und griechische Korvetten und Fregatten kamen sich gefährlich nahe, Kanzlerin Angela Merkel und die EU-Außenpolitiker konnten aber noch einmal vermitteln. Warum sollten Brüssel und Berlin dies im Falle Zyperns nicht können? Dass ein EU-Staatschef, dessen Land unter dem Schutz der Nato steht, um Hilfe im Kreml bittet, ist mehr als ein Treppenwitz. Es ist eine Narretei.

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