Libyen:"Die schlimmste Mittelmeer-Tragödie dieses Jahres"

  • Bei der Havarie zweier Boote vor der Küste Libyens im Mittelmeer sind möglicherweise 150 Geflüchtete ertrunken.
  • Als Reaktion auf das schwere Unglück fordern Organisationen der Vereinten Nationen, die Seenotrettung dort wiederaufzunehmen und die Internierung von Migranten in Libyen zu beenden.
  • Derweil gab die italienische Abgeordnetenkammer grünes Licht für einen Gesetzesentwurf, nach dem Seenotrettern in dem Land künftig Strafen von bis zu einer Million Euro drohen könnten, wenn sie mit ihren Schiffen unerlaubt in italienische Hoheitsgewässer fahren.

Nach dem womöglich schwersten Bootsunglück im Mittelmeer in diesem Jahr fordern Organisationen der Vereinten Nationen, die Seenotrettung dort wiederaufzunehmen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und das UN-Kinderhilfswerk Unicef rufen darüber hinaus dazu auf, die Internierung von Geflüchteten in Libyen zu beenden.

Anlass der Aufrufe ist die Havarie zweier Boote vor der Küste Libyens im Mittelmeer, bei der vermutlich etwa 150 Menschen ertrunken sind. Der libyschen Küstenwache zufolge sind die Boote etwa 120 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis gekentert. Etwa 137 Menschen habe die Küstenwache gerettet und nach Libyen zurückgebracht. Ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks, Charlie Yaxley, sagte: "Wir schätzen, dass 150 Migranten potenziell vermisst werden und auf See gestorben sind." 147 seien gerettet worden. Ihm zufolge waren auch zahlreiche Kinder an Bord, die meisten Betroffenen waren Eritreer und Sudanesen.

"Die schlimmste Mittelmeer-Tragödie dieses Jahres hat sich eben ereignet", sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi. Er rief europäische Länder auf, Rettungseinsätze in dem Meer fortzusetzen. Es dürfe nicht länger sein, dass Menschen in libyschen Lagern festgehalten würden. Es müsse sichere Wege aus dem Land geben, "bevor es zu spät für viele weitere verzweifelte Personen ist". Auch das International Rescue Committee (IRC) erklärte, die Katastrophe sei eine deutliche Erinnerung daran, dass Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer dringend wiederaufgenommen werden müssten. Der IRC-Direktor für Libyen, Thomas Garofalo, sagte nach dem Unglück: "Diejenigen, die auf See abgefangen werden, dürfen nicht nach Libyen zurückgeschickt werden."

Nach dem Bürgerkrieg, bei dem der Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 getötet wurde, ist Libyen zu einem wichtigen Durchgangsland für afrikanische Flüchtende geworden, die nach Europa gelangen wollen. Neben Schleusern nutzen Milizen das Chaos in Libyen aus. Sie werden für Missbrauch von Migranten, darunter Folter, Zwangsarbeit und Entführungen für Lösegeldzahlungen, verantwortlich gemacht.

Innerhalb der Europäischen Union läuft ein Streit darüber, wie Geflüchtete verteilt werden sollen, die im Mittelmeer gerettet werden - und wer sie überhaupt retten soll. Derzeit sind keine privaten Rettungsschiffe im Mittelmeer unterwegs. Die deutsche Organisation Sea-Eye kündigte allerdings am Donnerstag an, mit der Alan Kurdi in Richtung der Rettungszone vor der libyschen Küste aufzubrechen. Dort werde sie voraussichtlich Dienstag eintreffen, erklärte die Regensburger Organisation.

Derweil gab die italienische Abgeordnetenkammer am Donnerstag grünes Licht für einen Gesetzesentwurf, nach dem Seenotrettern in dem Land künftig Strafen von bis zu einer Million Euro drohen könnten, wenn sie mit ihren Schiffen unerlaubt in italienische Hoheitsgewässer fahren. Schon jetzt machen sie sich einem umstrittenen Dekret zufolge strafbar und können Strafen zwischen 10 000 und 50 000 Euro erhalten. Das neue Gesetz soll den Behörden im Fall einer Verletzung eines Einfahrverbots auch ermöglichen, das betreffende Schiff zu konfiszieren. Damit wird der Druck auf Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Migranten retten, weiter erhöht.

Das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten für Menschen, die nach Europa kommen wollen. Beim Versuch, es zu überqueren, kamen dieses Jahr nach IOM-Angaben bereits mehr als 680 Menschen ums Leben. Mehr als 3700 seien aufgegriffen und in Internierungslager in Libyen gebracht worden.

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