Mittelmeer:Salvini lenkt ein

Die "Mare Jonio" lag vor Lampedusa, mit 48 Geretteten an Bord. Innenminister Salvini wollte eigentlich keinen Präzedenzfall zulassen. Doch der Regierungspartner Cinque Stelle sorgte dafür, dass die Geflüchteten doch an Land gehen durften.

Von Oliver Meiler, Rom

Italiens Innenminister Matteo Salvini hätte gerne wieder die alte Riegelmethode angewandt, nur war diesmal alles etwas anders. Ein Schiff mit 49 Flüchtlingen erreichte am Dienstagmorgen Lampedusa und erhielt dort den Bescheid, dass der Hafen geschlossen sei. In diesem Fall aber handelte es sich um ein Schiff einer italienischen Hilfsorganisation: Die Mare Jonio wird von der NGO Mediterranea Saving Humans betrieben. Gerettet hatte sie die Menschen 42 Seemeilen vor der Küste Libyens, im Kompetenzgebiet der libyschen Küstenwache. Die See war stürmisch, das Risiko groß, und so nahm die Crew Kurs auf Lampedusa. Über Nacht erließ das Innenministerium eine neue Norm, um auch dieses Schiff zu stoppen. Darin heißt es, dass NGOs, die Migranten in libyschen Gewässern aufnehmen, sich der Begünstigung illegaler Einwanderung strafbar machen. Als die Mare Jonio in Lampedusa ankam, wurde es festgesetzt. Salvini sagte, man dürfe jetzt keinen Präzedenzfall zulassen.

Doch die Cinque Stelle distanzierten sich von ihrem Regierungspartner von der rechten Lega. Es bringe nichts, den Fall zu instrumentalisieren, sagte Vizepremier Luigi Di Maio. Das Wichtigste sei, dass Menschen in Not geholfen werde. "Ihr seid willkommen", sagte Totò Martello, der Bürgermeister von Lampedusa zu den Migranten. Lampedusas Hafen sei immer offen gewesen. Wenn Salvini behaupte, die Häfen seien alle geschlossen, sei das falsch. "2018 kamen hier bei uns 300 Schiffe mit insgesamt 3000 Migranten an." Am Abend durfte die Mare Jonio dann doch einlaufen, alle Passagiere gingen an Land. Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren, das Schiff wurde beschlagnahmt. Wahrscheinlich waren dies die Bedingungen dafür, dass Salvini klein beigab.

Die jüngsten Zahlen des Innenministeriums zeigen, dass die Ankünfte in Italien drastisch zurückgegangen sind. Seit Jahresanfang wurden 348 Zuwanderer registriert, die über das Mittelmeer kamen. In derselben Zeitspanne waren es 2018 ungefähr 6000 und 2017 etwa 16 000. Am Mittwoch entscheiden die Senatoren, ob Salvini wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen der Prozess gemacht wird. Im Fall Diciotti, benannt nach einem Schiff der Küstenwache, geht es um den Vorwurf der Freiheitsberaubung. Salvini hatte die Diciotti mit 177 Migranten fünf Tage lang nicht in Catania anlanden lassen. Es gilt als fast sicher, dass der Senat gegen eine Aufhebung der Immunität stimmen wird. Diese Sicherheit wollte Salvini wohl nicht wegen der Mare Jonio gefährden.

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