Mittelmeer:Gas für Europa

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Griechenland, Zypern und Israel haben das Abkommen über die Eastmed-Pipeline unterzeichnet. Sie soll Europa unabhängiger von russischem Gas machen.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Türkische F-16-Kampfflugzeuge donnerten über die kleinen griechischen Inseln Oinousses und Panagia hinweg, gleich sechs Mal hintereinander, berichtete die Athener Zeitung Kathimerini am Freitag. Der ohrenbetäubende Lärm war wohl der lautstarke Kommentar zur Unterzeichnung eines Abkommens zwischen Griechenland, Zypern und Israel, bei dem die Türkei erst einmal außen vor bleibt. Und angesichts der aktuellen Spannungen im östlichen Mittelmeer dürfte sich daran so bald nichts ändern.

Flaggen der drei Staaten schmückten den Tisch, als ihre Energieminister am Donnerstagabend in Athen eine Vereinbarung zum Bau der "Eastmed-Pipeline" unterzeichneten. Diese soll von 2025 an Gas aus Tiefbohrungen vor Israel und Zypern über Griechenland bis nach Italien bringen. Auch die Regierungschefs der drei Staaten - Kyriakos Mitsotakis, Nikos Anastasiadis und Benjamin Netanjahu - waren bei der Zeremonie anwesend. Bis 2022 soll die Finanzierung der geschätzt sieben Milliarden Euro teuren Pipeline stehen. Die EU hat sie mit dem begehrten Etikett "Project of Common Interest" versehen und würde wahrscheinlich die Hälfte der Kosten tragen. Gas gilt als vergleichsweise klimafreundlicher Energielieferant. Die Privilegierung des Projekts durch die EU ist dennoch umstritten.

Drei Präsidenten, eine Vereinbarung: Zypern, Griechenland und Israel haben sich auf den Bau der Eastmed-Pipeline verständigt. (Foto: dpa)

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin verweist auf das geopolitische Konfliktpotenzial. "Regionale Energiekooperation im östlichen Mittelmeer muss Vorrang haben vor einem teuren transkontinentalen Pipelineprojekt", heißt es in einer Bewertung der SWP vom Oktober 2019. Ägypten zum Beispiel verfüge über derzeit nicht genutzte Anlagen zur Verflüssigung von Gas, das dann auf Schiffen transportiert werden kann.

Netanjahu sagte in Athen, Israels Zusammenarbeit mit Zypern und Griechenland trage "zu Sicherheit und Wohlstand in der Region" bei, sie sei nicht gegen andere Länder gerichtet. Mitsotakis sprach von einem "strategischen Engagement" Griechenlands in einer Region, in der es Bündnisse brauche. Die fast 2000 Kilometer lange Pipeline soll allerdings durch Seegebiete führen, auf die die Türkei Ansprüche erhebt. Sie hat diesen Anspruch zuletzt durch ein umstrittenes Seegrenzen-Abkommen mit Libyen unterstrichen. Mitsotakis nannte dieses Abkommen, das große griechische Inseln wie Kreta und Rhodos nicht berücksichtigt, "provokant und illegal".

Die USA sind für Eastmed, weil die Röhre Europa unabhängiger macht von russischem Gas

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wiederum kündigte an, die Türkei werde Gasexplorationen in der Nähe von Kreta unternehmen. Auch vor Zypern sucht die Türkei nach Gas im Meeresboden. Sie lässt ihre Schiffe dort nun von Drohnen begleiten. Zypern ist seit mehr als 45 Jahren geteilt. Der türkische Teil wird nur von der Türkei als Staat anerkannt. Ankara kritisiert, dass die türkischen Zyprioten nicht an der Ausbeutung von Bodenschätzen beteiligt würden. Vor Zypern wurde 2011 das Gasfeld Aphrodite entdeckt, von 2025 an soll dort Gas gefördert werden. Zypern hat Konzessionen an die Firmen Noble Energy aus den USA und Delek aus Israel vergeben. Beide sind auch vor der Küste Israels tätig. Dort hat zu Jahresbeginn die Förderung aus dem großen Gasfeld Leviathan begonnen.

Die technischen Herausforderungen für Eastmed sind groß: Zwischen Zypern und Kreta gibt es bis zu 3000 Meter tiefe Meeresgräben. Wegen des Wasserdrucks in solcher Tiefe wäre extrem dicker Stahl nötig und die Kapazität der Röhre damit recht beschränkt, sagen Experten. Auch die USA unterstützen Eastmed, wie alles, was Europa weniger abhängig macht von russischen Gasimporten. Zu diesen hat auch die Türkei derzeit kaum Alternativen, sie sucht sie aber.

Jüngst berichteten türkische Medien, Ankara habe Israel angeboten, Gas über das türkische Festland zu leiten. Eine Bestätigung dafür gab es nicht. Die türkische Abhängigkeit von Russland nimmt demnächst noch weiter zu: Am 8. Januar will der russische Präsident Wladimir Putin in Ankara mit Erdoğan die Eröffnung der Gasleitung Turkstream durch das Schwarze Meer feiern. Gazprom hat sie finanziert.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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