Mittel gegen Altersarmut:Wie von der Leyen mit der Zuschussrente blufft

Jahrzehntelang arbeiten und trotzdem im Alter an Armut leiden? Das Risiko steigt, vielen Deutschen wird die Rente kaum zum Leben reichen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hält mit einer Zuschussrente dagegen. Die hilft aber nur wenigen - und erinnert an einen anderen schwarz-gelben PR-Gag ohne Tiefenwirkung.

Thorsten Denkler, Berlin

Es klingt, als könnte Ursula von der Leyen das Problem der Altersarmut auf einen Schlag lösen. Jahr für Jahr wächst die Zahl der Rentner, die nur mit Sozialhilfe über die Runden kommen. Da will die Arbeitsministerin nicht tatenlos zusehen. Weil sie auch Rentenministerin ist, kam ihr eine Idee. Wer eine Mini-Rente zu befürchten hat, der soll einen Zuschuss bekommen, damit er nicht zum Sozialamt gehen muss.

Weiterhin Kritik an Plaenen fuer Zuschussrente

Arbeitsministerin mit Pokerface: Ursula von der Leyen will die Altersarmut mit einer Zuschussrente bekämpfen. Doch von ihr würden nur wenige Menschen profitieren.

(Foto: dapd)

Für jemanden, der sein Leben lang gearbeitet hat, ist dieser Gang wie ein Schock. Wer Sozialhilfe beziehen will, muss erst seine Bedürftigkeit nachweisen. Das heißt: Wer beim Renteneintritt von der Rente allein nicht leben kann, muss zunächst alles zu Geld machen, was einen Vermögenswert aufweist. Das eigene Heim, die Lebensversicherung, Aktien, Schmuck, das eigene Auto. Sozialhilfe ist gedacht für Menschen in Not. Wer nicht bettelarm ist, sagt das Gesetz, der ist auch nicht in Not.

Die Zuschussrente soll helfen. Auf bis zu 850 Euro soll damit die Rente aufgestockt werden - eine Summe, die für viele Rentner verlockend klingt. Doch auch sie soll an der Bedürftigkeit gemessen werden. Anders als in der Sozialhilfe werden aber Einnahmen aus der privaten Altersvorsorge nicht angetastet.

Wer Pech hatte, wird bestraft

Die Bundeskanzlerin bleibt bei dem Thema vage. "Man muss überlegen, ob die Zuschussrente die richtige Antwort sein kann", ließ Angela Merkel ihren Sprecher ausrichten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält hingegen nichts vom Vorschlag der Arbeitsministerin. Auch die Opposition ist dagegen. In ihren Augen ist von der Leyens Zuschussrente eine große Mogelpackung.

Tatsächlich gilt schon heute ein gewisser Teil der Riester-Rente als Schonvermögen in der Sozialhilfe, darf also nicht verrechnet werden. In der Regel aber sorgen die meisten Menschen gar nicht privat vor. Von allen Geringverdiener machen das nur knapp 40 Prozent. Ihnen fehlt häufig das Geld. Von der Leyen will die Zuschussrente aber nur auszahlen, wenn die Betroffenen private Rentenansprüche haben.

Den Von-der-Leyen-Zuschuss soll auch nur bekommen, wer bis zu 45 Jahre lang Rentenpunkte gesammelt hat. Phasen langer Arbeitslosigkeit, die das Armutsrisiko im Alter ohnehin schon massiv erhöhen, machen eine Zuschussrente praktisch unmöglich. Wer Pech hatte im Leben, der wird so dafür auch noch bestraft.

Erinnerung an einen PR-Gag

Für die meisten Menschen werden die Hürden, die von der Leyen aufstellt, viel zu hoch sein. Von den heute knapp 25 Millionen Rentnern werden zunächst weniger als 50.000 Anspruch auf eine Zuschussrente haben. Bis 2030 soll die Zahl auf 1,4 Millionen steigen. Zugleich wird aber auch die Zahl der Rentner dramatisch ansteigen.

Kritiker der Zuschussrente fühlen sich stark an ein anderes Projekt der schwarz-gelben Sozialpolitik erinnert. Die Regierung hatte zu Beginn ihrer Amtszeit das Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieher verdreifacht. Auch hier stand die Gruppe der Betroffenen in keinem Verhältnis zum PR-Aufwand der Regierung. Verschont wird überdies nur Vermögen, das sich in privaten Rentenversicherungen sammelt. Geholfen hat die Großtat am Ende mehr der Versicherungswirtschaft als den Hartz-IV-Empfängern.

Bezahlen sollen die Zuschussrente zunächst die Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ertst ab 2015 werden die Kosten vollständig aus Steuermittel gedeckt. Das ist zumindest der Plan. Die gesetzliche Rente ist umlagefinanziert. Das bedeutet, die heutigen Beitragszahler zahlen für die heutigen Rentner.

Notreparatur an einem maroden System

Die Zahl der Rentner steigt, die Zahl der Erwerbstätigen nimmt ab. Immer weniger Menschen müssen immer mehr Rentner finanzieren. Eine Zuschussrente ginge also zunächst zwangsläufig zu Lasten entweder der Rentenhöhe oder, über höhere Beiträge, zu Lasten der gesetzlich Versicherten. Dagegen steht das Modell einer rein steuerfinanzierten Grund- oder Garantierente um Alterarmut zu verhidnern.

Weitgehend unbelichtet bleibt in der Debatte bislang die Entstehung von Altersarmut. Jahrelange Arbeitslosigkeit und vor allem niedrige Löhne sind die Kernprobleme. Ohne einen ausreichenden, gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohn und eine bessere Reallohnentwicklung wird sich die Lage nicht grundsätzlich verbessern. Der Lohn muss nicht nur hoch genug sein, um im hier und jetzt einigermaßen über die Runden zu kommen. Er muss auch hoch genug sein, damit nicht im Alter die Armut droht. Eine Zuschussrente ist da bestenfalls eine Notreparatur an einem ohnehin schon maroden System.

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