Süddeutsche Zeitung

Mitt Romney und Rick Santorum beim Republikaner-Gipfel:Wettstreit um die wahren konservativen Werte

Zurück in der Offensive: Wenige Stunden nach einem umjubelten Auftritt von Rick Santorum umschmeichelt Mitt Romney beim Gipfel der Republikaner in Washington seine Parteifreunde. In seiner Rede blickt er auf seine Zeit als Gouverneur zurück - und gibt den unerschrockenen Kämpfer gegen Liberale, Abtreibung und Homo-Ehe. Santorum umgarnt währenddessen die Anhänger der Tea-Party-Bewegung.

Matthias Kolb, Washington

Mitt Romney hat besondere Erinnerungen an jene Konferenzen, die die American Conservative Union jedes Jahr veranstaltet. Vor vier Jahren gab er auf der "Conservative Political Action Conference" (CPAC) bekannt, dass er aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur aussteigen und stattdessen John McCain unterstützen werde. Und auch an diesem Freitag richteten sich die Augen der Medien auf den früheren Gouverneur von Massachusetts, der nach seinen überraschenden Niederlagen bei den letzten Vorwahlen gegen Rick Santorum unter enormen Druck steht.

In den Tagen vor der CPAC, dem Gipfeltreffen des konservativen Amerikas, hatten unzählige Abgeordnete, Senatoren und Analysten Romney aufgefordert, sich stärker zu seinen konservativen Werten zu bekennen und um die Basis zu kämpfen. Diese Aufgabe wird durch den Zeitplan nicht gerade leichter: Zwei Stunden vor Romney betritt Rick Santorum (mehr über seine Karriere hier) die Bühne des Konferenzzentrums in Washington und lässt sich vom Publikum feiern.

Schnell wird klar, dass dem Ex-Senator aus Pennsylvania nach seinem Dreifach-Erfolg die Sympathien vieler Konservativen zufliegen. Gemeinsam mit sechs seiner sieben Kinder steht Santorum auf der Bühne und gibt den kämpferischen Familienvater. Seine Frau Karen sei "der Fels, auf dem ich stehe", erklärt er. Dann umschmeichelt er die Tea-Party-Anhänger unter den Tausenden Besuchern: "Wir sind kein Flügel der Republikanischen Partei, wir sind die Partei!" Jeder hier im Saal sei wichtig, um die wahren konservativen Idee ins Land hinauszutragen.

Santorum verwendet Argumente, die alle Kandidaten der Grand Old Party bemühen: Es sei die wichtigste Wahl unseres Lebens, denn Obama gefährde die Zukunft und den Wohlstand der eigenen Enkel. Jeder Bewerber möchte Ausgaben kürzen, Steuern senken und für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen - zeitgleich. Obamacare, die verpflichtende Krankenversicherung, müsse gestoppt werden, hämmert Santorum dem Publikum ein: "Die Regierung möchte euch kontrollieren - und wenn die Amerikaner in dieser Abhängigkeit sind, werden sie niemals frei sei."

"Die Partei muss von ihrem Kandidaten begeistert sein"

Der 53-Jährige zweifelt den Klimawandel an und macht sich über Umweltschützer lustig, die mit ihren Bedenken gegen Projekte wie die Keystone-Pipeline Jobs gefährdeten. Direkt und indirekt attackiert er den Favoriten Mitt Romney. Die Republikaner könnten die Wahl nicht dadurch gewinnen, dass ihr Kandidat über das meiste Geld verfüge: "Wir brauchen Ideen, Visionen und einen glaubwürdigen Bewerber, der sich von Obama unterscheidet."

Damit ist der Mann aus Pennsylvania bei seinem wichtigsten Argument angekommen: Nur er stehe für "faith and family", habe die Rettung der Banken ebenso stets abgelehnt wie den Handel mit Emissionsrechten. Der Pragmatiker Romney hingegen habe in seiner Zeit als Gouverneur in Massachusetts das "Stiefkind von Obamacare" eingeführt. "Anders als er kann ich den Präsidenten in dieser Frage attackieren. Wir werden siegen, wenn wir diese Wahl zur Abstimmung über Barack Obama und seine gescheiterte Politik machen", tönt Santorum und bei diesen Sätzen klatschen begeistert auch jene im Publikum, die sich per Sticker als Fans von Newt Gingrich outen.

Ständig appelliert Santorum, der über das geringste Budget aller Bewerber verfügt, an die Seele der Partei und greift Romneys Argument der Wählbarkeit an: "Wir brauchen einen Kandidaten, von dem die Partei begeistert ist, denn nur dann können wir unabhängige Wähler überzeugen." Damit trifft Santorum einen wichtigen Punkt: Im Vergleich zu den Kongresswahlen 2010 ist die Begeisterung unter den Konservativen geringer und auch das CPAC-Publikum scheint in gleichen Teilen aus Anhängern von Romney, Gingrich und Santorum zu bestehen. Einigkeit: Fehlanzeige.

Nach 20 Minuten beendet Santorum voller Pathos seine Rede: Alle im Publikum seien damit gesegnet, in Zeiten zu leben, in denen Amerika sie brauche. Er bitte sie nicht um ihr Geld - "wobei ein Teil davon helfen könnte" - sondern um ihre Ehre im Kampf um Amerika: "Bitte strengt euch an, damit ihr später sagen könnt: Ich habe meine Pflicht getan und meine Ehre bewahrt."

Während die Berater von Mitt Romney die Zeit nutzen, am Rede-Manuskript zu feilen, strömt das Publikum nach draußen. Denn die CPAC-Konferenz ist nicht nur ein Ort, an dem in Hinterzimmern beraten und gestritten wird, sondern auch ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Einflussreiche Blogger wie Ann Coulter oder Andrew Breitbart sorgen für Stimmung im Saal, während vor der Tür ein paar Dutzend Anhänger der Occupy-Bewegung protestieren. Auf den Gängen werben die Waffenlobbyisten der National Rifle Association mit dem Slogan "Rüstet euch mit den richtigen Argumenten aus" und in vielen Ecken signieren Autoren ihre Bücher, die Titel tragen wie "The Choice. Ronald Reagan versus Barack Obama and the Campaign of 2012".

Überall stehen Studenten, die per Aufkleber anzeigen, welchen Kandidaten sie unterstützen. "Ich bin für Santorum, weil er zu 100% Abtreibung ablehnt", erklärt die 20-jährige Becky aus Maryland, die in der Lobby Flugblätter verteilt. Aaron Johnson steht hingegen mit seinem "Newt 2012"-Plakat in der Warteschlange vor dem Stand eines konservativen Verlags: "Gingrich ist der klügste der Bewerber und er steht dafür, dass es jeder nach oben schaffen kann. Das inspiriert mich." Wo so viel Republikaner-Nachwuchs zusammen kommt, können ein paar Kennenlern-Tipps nicht schaden. Damit die richtigen Republikaner auch zueinander finden, haben die Organisatoren deshalb am Donnerstagabend ein Seminar für Singles zum Thema "Wie Konservative richtig daten" angeboten.

Romney: Ich habe an vorderster Front gegen die Liberalen gekämpft

Über dieses Thema zerbricht sich Mitt Romney, der seit 42 Jahren mit seiner Ehefrau Ann verheiratet ist, wohl kaum den Kopf. Anders als bei vielen Auftritten betritt der 64-Jährige die Bühne allein. Dass er mit stehendem Applaus begrüßt wird, scheint ihm fast unangenehm zu sein: Anstatt das Klatschen zu genießen oder gar durch Gesten zu verlängern, bittet er um Ruhe.

Diesmal widmet er sich weniger seiner Erfahrung in der Privatwirtschaft als seiner Zeit als Gouverneur in Massachusetts. In dem liberalen Ostküstenstaat habe er nicht nur Schulden abgebaut und für einen ausgeglichenen Haushalt gesorgt, sondern vor allem an vorderster Front gekämpft: "Vieles, was die Liberalen heute für das ganze Land fordern, haben sie damals in Massachusetts erprobt - und ich habe ihnen standgehalten." Er habe verhindert, dass der US-Bundesstaat, in dem die Homo-Ehe als erstes legalisiert wurde, zu einem "Las Vegas für Schwule" geworden sei, in dem jeder heirate dürfe. "Ich kenne Konservativismus, denn ich lebe diese Werte jeden Tag", rief er aus.

Romney, der laut New York Times in 25 Minuten das Wort konservativ 25 Mal verwendete, kündigt an, sich als Präsident dafür einzusetzen, Ehe als Bund zwischen Mann und Frau zu definieren. Er bekennt sich zur Pro-Life-Bewegung und verspricht, der bei den Republikanern verhassten Organisation "Planned Parenthood", die auch Abtreibungen anbietet, kein Staatsgeld zu bewilligen. Ausführlicher als sonst sprach er über seine Familie: Der in Mexiko geborene Vater, der es ohne College-Abschluss zum Chef eines Autokonzerns und Gouverneur von Michigan brachte, habe ihn sehr geprägt.

Romneys Taktik für den CPAC-Auftritt ist klar: Er will das raw meat der Republikaner, das rohe Fleisch der wichtigsten Themen der Sozialkonservativen nicht kampflos Rick Santorum überlassen. Erneut wiederholt Romney, dass er sich für seinen Erfolg als Finanzinvestor und seinen Reichtum nicht schäme, bevor er seinerseits Attacken auf Santorum abfeuert. "Ich war zwar Gouverneur, aber ich bleibe im Herzen ein Geschäftsmann und deswegen kann ich Washington von Grund auf verändern", verspricht er.

Er habe als einziger Bewerber "keinen einzigen Tag in Washington verbracht" und nur deshalb könne er die Macht der Lobbyisten sowie den Einfluss der Regierung auf den Alltag der Menschen begrenzen. "Alle Politiker versprechen Reformen, wenn sie gewählt werden, doch dann werden sie alle zu seltsamen Washingtoner Geschöpfen, die immer mehr Geld ausgeben wollen und die Regierung als Lösung aller Probleme ansehen", ätzt Romney gegen den Ex-Senator Rick Santorum - und trifft damit natürlich auch die Mitbewerber Ron Paul und Newt Gingrich.

Diese kraftvollen Aussagen kommen gut an beim republikanischen Publikum, das wie viele Amerikaner die Wurzel allen Übels in der US-Hauptstadt vermutet. Eine Einschränkung bei den Sparbemühungen - auch Romney will sehr schnell den Haushalt ausgleichen - macht er: Das Militär dürfe nicht geschwächt werden.

Im Zweikampf Santorum vs. Romney gehen die übrigen Bewerber etwas unter. Ron Paul zog es vor, in Maine Wahlkampf zu machen und überließ es seinem Sohn, dem Senator Rand Paul, eine Rede zu halten. Newt Gingrich wiederum verzichtete auf Attacken gegen die Gegner und präsentierte sich stattdessen als Visionär und Anhänger Ronald Reagans. Dabei erhielt er diesmal auch Unterstützung von Schauspieler Chuck Norris.

Welcher Kandidat die Herzen der Republikaner erreicht beziehungsweise ihre Köpfe überzeugt hat, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Ein Indiz ist das Ergebnis einer nicht bindenden Abstimmung, das am Wochenende bekannt gegeben wurde: Auf der CPAC-Konferenz konnten die Anwesenden für den Mann stimmen, der besonders glaubhaft den konservativen Vorkämpfer vermittelt. Die meisten entschieden sich für Mitt Romney, dahinter folgten Santorum, Gingrich und Paul.

Linktipp: Die New York Times hat die Auftritte von Rick Santorum, Mitt Romney und Net Gingrich auf ihrer Website interaktiv aufbereitet: http://www.nytimes.com/interactive/2012/02/11/us/politics/20120211-CPAC.html?hp

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