Süddeutsche Zeitung

Mitgliederbefragung:Schulz will abstimmen lassen

Der SPD-Chef möchte vor einer Regierungsbeteiligung die Parteimitglieder befragen. Gegen bestimmte Koalitionen ist mit Widerstand zu rechnen.

Von Christoph Hickmann, Berlin

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will die Parteimitglieder über eine mögliche Regierungsbeteiligung abstimmen lassen - so wie Ende 2013 über die große Koalition. Die damalige Mitgliederbefragung sei "eine Sternstunde der innerparteilichen Demokratie" gewesen, sagte der SPD-Chef dem Spiegel. "Dahinter können und wollen wir nicht zurück."

Der damalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hatte die SPD-Mitglieder vor knapp vier Jahren über den zwischen Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Zuvor hatten er und andere Mitglieder der Parteispitze intensiv um die Zustimmung der Genossen geworben. Gabriel hatte damals kalkuliert, dass die sogenannten einfachen Mitglieder im Gegensatz zur Mehrheit der Funktionäre überwiegend zur großen Koalition tendieren würden. Das Ergebnis gab ihm dann recht. Bei einer Wahlbeteiligung von fast 78 Prozent stimmten knapp 76 Prozent für das vermeintlich so unbeliebte Bündnis mit der Union.

Die Parteiführung rechnet mit Widerstand gegen eine große Koalition

Mit seiner Ankündigung spricht Schulz nun aus, womit in der SPD ohnehin fest gerechnet wurde: Eine Neuauflage der großen Koalition unter Führung der Union gilt ohne eine Mitgliederbefragung als kaum denkbar. Andere Konstellationen, in denen die SPD in der Regierung bleiben könnte, sind zumindest nach derzeitiger Umfragelage schon rein rechnerisch nicht möglich. Sollte die SPD erneut mit einem Ergebnis deutlich unter 30 Prozent hinter der Union landen, wird jedoch an der Parteispitze mit erheblich stärkerem Widerstand gegen eine große Koalition gerechnet als vor vier Jahren. Bereits Anfang der Woche hatte Schulz die Aufmerksamkeit auf eine mögliche Neuauflage der großen Koalition gelenkt, indem er mehrere nicht verhandelbare Positionen definiert hatte, die mit den Sozialdemokraten in der Regierung in jedem Fall umgesetzt würden. Die meisten dieser Punkte waren allgemein als Vorbedingungen für die Beteiligung an einer großen Koalition verstanden worden.

Was eine Neuauflage dieses Bündnisses angeht, gibt es in der SPD derzeit hauptsächlich zwei Denkschulen. Die eine geht von der Annahme aus, dass es immer besser sei, zu regieren und dadurch gestalten zu können. Die andere hält einen Umbruch und Neubeginn für notwendig, ohne den die Sozialdemokratie nicht aus ihrer strukturellen Krise finden und mittel- bis langfristig marginalisiert würde. Die Verfechter dieser Position müssen sich allerdings mit dem Szenario auseinandersetzen, im Fall etwa einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen zwischen AfD und Linkspartei in der Opposition zu sitzen. Welche Sichtweise sich durchsetzt, wird am Ende zu guten Teilen vom SPD-Ergebnis am Wahlabend abhängen.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2017
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