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Mit freundlicher Unterstützung:Die Macht der Tabak-Lobbyisten

Einige Politiker werten die verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegen ein umfassendes Rauchverbot als "Bankrotterklärung gegenüber der Tabaklobby". Die Zigarettenkonzerne weisen die Verantwortung für das Scheitern einer bundeseinheitlichen Lösung hingegen zurück.

Silvia Liebrich

Die Tabakindustrie gerät angesichts des drohenden Aus für ein bundesweites Rauchverbot weiter unter Druck. Kritiker werfen Zigarettenkonzernen wie Philip Morris oder British American Tobacco (BAT) schon seit langem vor, mit ihrer Lobbyarbeit einen stärkeren Nichtraucherschutz in Deutschland systematisch zu behindern.

Die nun vorgebrachten verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegen ein umfassendes Rauchverbot wurden daher von einigen Politikern als "Bankrotterklärung gegenüber der Tabaklobby" gewertet.

Bei den Großkonzernen wird dies allerdings scharf zurückgewiesen. "Dieser Vorwurf ist völlig abwegig. Uns wird ja vieles unterstellt, aber die Verfassung und die Föderalismusreform haben wir nun wirklich nicht geschrieben", sagt Richard Gretler, Vorstandsvorsitzender des Hamburger Reemtsma-Konzerns.

Eine Sprecherin von BAT, dem weltweit zweitgrößten Zigarettenhersteller, ergänzt in Bezug auf die Länderkompetenz beim Rauchverbot: "Es wäre für uns nicht gerade vorteilhaft, wenn es 16 verschiedene Lösungen in Deutschland geben würde. Das wäre für die Verbraucher sehr verwirrend."

Massiver Einfluss auf deutsche Politik

Der Einfluss der Tabaklobby auf politische Entscheidungen in Deutschland ist jedoch beträchtlich - das zeigt allein der Vergleich mit anderen Ländern. Während hierzulande seit Jahren über schärfere Gesetze nur diskutiert wird, haben etwa Italien oder Frankreich ihre Vorschriften längst verschärft, ganz zu schweigen von den Vereinigten Staaten, wo die strengsten Nichtraucherschutz-Gesetze überhaupt gelten.

"Deutschland hinkt in der Tabak-Kontrolle 20 Jahre hinterher", stellte etwa der renommierte US-Professor Stanton Glantz fest, der das Verhalten der Tabakkonzerne seit Jahren analysiert. "Aus Geheimdokumenten der Tabakindustrie wissen wir, dass die Firmen massiv Einfluss auf die deutsche Politik nehmen."

In dieselbe Kerbe schlägt auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Der Einfluss der Tabakkonzerne reiche in die Arbeit aller Parteien hinein, moniert er. Die Zigarettenindustrie unterstütze großzügig Parteiveranstaltungen und parlamentarische Abende - und davon profitierten auch Abgeordnete, die mit dem Tabakgesetz zu tun haben.

Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt

Beim Verband der Cigarettenindustrie (VdC) wird dies gar nicht erst bestritten. "Wir laden Abgeordnete und andere Personen ein und stellen unsere Räumlichkeiten zur Verfügung. Ich wüsste nicht, was daran verwerflich sein sollte", kontert Wolfgang Hainer, Hauptgeschäftsführer des VdC, Lauterbachs Vorwürfe.

Dass sich das Positionspapier des Verbandes zum geplanten Rauchverbot in wesentlichen Teilen auch im Eckpunktepapier des Bundes wiederfindet, dürfte so gesehen kein Zufall sein.

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Quelle:
SZ vom 9.12.2006
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