Die in Afghanistan von den Taliban entführten Missionare aus Südkorea sind frei gekommen, weil die Regierung Südkoreas sich verpflichtet hat, keine christlichen Missionare mehr nach Afghanistan zu lassen. Und das ist gut so.
Es ist schlicht unanständig, mit materiellen Verlockungen Menschen zu bekehren. Bereits mit der Eroberung des Iraks durch die USA und ihre Verbündeten im Frühjahr 2003 kamen auch die fundamentalistisch-protestantischen Missionare ins Land.
Sie kamen im Gewand der Hungerhilfe; an vorderster Front Samaritan`s Purse, "Das Portemonnaie des (barmherzigen) Samariters", die Wohltätigkeitsorganisation von Franklin Graham, dem Sohn des protestantischen Erweckungspredigers Billy Graham.
Das fromme Unternehmen war bereits nach dem ersten Golfkrieg von US-Präsident George Bush senior im Irak, ferner im Gefolge der Krieger im Kosovo, im Sudan und in Afghanistan. George W. Bush ist nach eigenen Angaben von Billy Graham 1985 auf den "richtigen Weg zu Gott" gebracht worden.
Der Reverend Billy Graham und sein Sohn Franklin Graham sind die unumstrittenen Stars der Southern Baptist Church. Diese Kirche war Verfechterin der Rassentrennung und hat im neuen Jahrtausend beschlossen, Frauen vom Pastorenamt auszuschließen.
"Der Islam ist eine üble und böse Religion"
Franklin Graham, der bei der Amtseinführung von Präsident George W. Bush ein Bittgebet gesprochen hatte, predigte nach den Anschlägen des 11. September: "Der Gott des Islams ist nicht unser Gott. Es ist ein anderer Gott und ich glaube, dass dies eine üble und böse Religion ist."
Wer gegen das Böse kämpft, zählt sich selbst zu den Guten. Diese Aufspaltung in Gut und Böse erlaubt die Projektion alles Bösen auf den Gegner und die Introjektion alles Guten in sich selbst. Ihren schlichten Glauben aller Welt zu vermitteln, ist das Hauptziel der Fundamentalisten. Das gilt für alle diese Gruppierungen. In Deutschland ist der Glaube an Gott Privatsache.
Doch die fundamentalistischen Gemeinschaften, die im Lande nichts zu melden haben, ziehen auch von Deutschland aus, um die Welt zu beglücken. Der Vorsitzende des Arbeitskreises für evangelikale Theologie, Rolf Hille, schrieb im Jahre 2002: "Im Rahmen der biblischen Heilsgeschichte ist Mission in der Zeitperiode, in der wir jetzt leben, Gottes Grundanliegen ... Christus hat in seiner Autorität Mission an die oberste Spitze seiner Tagesordnung gestellt." Woher er das so genau weiß, hat der Mann freilich nicht verraten.
Allerdings bezeichnete Anfang dieses Jahres auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, die Mission als "Überlebensfrage" für seine Kirche. Selbst wenn es in den Spendenaufrufen manchmal anders klingt, für die katholische Kirche ist "caritatives Engagement eine Rückführung zum Glauben", so der Präsident des päpstlichen Hilfswerks Cor unum, Erzbischof Paul Josef Cordes. Darin ist er sich einig mit seinem Papst.
Einst ideologisch, heute provokativ
Und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) stellte im November 2006 eine "Handreichung" für die Beziehung zum Islam vor, in der es heißt: "Dialog und Mission schließen sich nicht aus." Verständlicherweise sehen das die Muslime ganz anders. Doch der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, betont, es könne "nicht die Aufgabe der muslimischen Verbände sein, uns vorzuschreiben, wie wir den christlichen Glauben zu verstehen haben."
Mit der Formulierung "Kolonisieren heißt missionieren" diente im 19. Jahrhundert Mission dazu, die Unterjochung fremder Kulturen ideologisch zu rechtfertigen. Mission auf intellektuell niedrigstem Niveau ist heute schick. Weltweit, so der Münchner protestantische Theologe und Leibnizpreisträger Friedrich Wilhelm Graf, dominiere inzwischen "eine Missionspolitik des harten ´Brandings`. Viele Akteure folgen Expansionsstrategien, die gezielt Andersgläubige provozieren, um effizienter die eigenen Anhänger zu mobilisieren."
Dabei lassen sich Indizien für eine zunehmende Militanz evangelikaler Gruppen - analog zur Militanz islamistischer Vereinigungen - beobachten. Junge Leute werden ebenso in "Jesus-Camps" in Süddakota/ USA indoktriniert wie im hessischen Kirchheim in einem Gebets- und Kriegslager (Worship-and-Warfore-Camp), wie das ZDF im Frühjahr dokumentiert hat.
Eine der evangelikalen Gruppen, die Jesus Revolution Army, 1997 vom ehemaligen evangelischen Osloer Jugendpfarrer und seiner Frau gegründet, besteht aus Kindermissionaren, die unter anderem auch in München ihr Unwesen treiben. Missionierung von Leichtgläubigen durch Leichtgläubige.
Was treibt junge Menschen dazu, sich in solche streng hierarchischen Organisationen einzufügen und ihr individuelles Leben aufzugeben? In einer zunehmend unübersichtlichen Welt bekommen sie klare Antworten auf alle ihre Fragen. Schlichte Antworten zwar, aber es sind auch schlichte und vor allem autoritätsgläubige Menschen, die sich in den evangelikalen Glaubensgemeinschaften finden.
Anhänger solcher Gemeinschaften, so der Schweizer Psychiater Mario Gmür, sind "meistens unauffällige, idealistische Menschen, die ihrem Leben einen höheren Sinn verleihen und sich für eine hehre Idee engagieren wollen." Diese Menschen lebten "in der wahnhaften Vorstellung, zu einer auserwählten Elite zu gehören, die das Heil in die Welt bringen muss."