Katholische Kirche:Ein Rücktritt ist noch nicht vom Tisch

Katholische Kirche: Ein Gutachten untersucht die Missbrauchsfälle im Erzbistum und auch das Handeln von Kardinal Reinhard Marx und seinen Vorgängern.

Ein Gutachten untersucht die Missbrauchsfälle im Erzbistum und auch das Handeln von Kardinal Reinhard Marx und seinen Vorgängern.

(Foto: Felix Hörhager/dpa)

Papst Franziskus hat Kardinal Reinhard Marx aufgefordert, als Erzbischof von München und Freising weiterzumachen. Marx meldet sich nun in seinem Brief an die Gläubigen zu Wort und macht deutlich: Er ist noch nicht fertig mit dem Thema.

Von Annette Zoch, München

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, schließt ein neues Rücktrittsangebot an den Papst nicht aus. "Wenn sich eine neue Situation ergibt oder veränderte Umstände, die meinen Dienst grundsätzlich in Frage stellen, werde ich prüfen, ob ich nicht erneut das Gespräch mit dem Heiligen Vater suchen sollte", schreibt Marx in einem am Freitag veröffentlichten Hirtenwort, das an diesem Sonntag in allen Münchner Pfarreien verlesen werden soll.

"Meinen Dienst als Bischof verstehe ich nicht als ein Amt, das mir gehört und das ich verteidigen muss, sondern als einen Auftrag für die Menschen in diesem Erzbistum und als Dienst an der Einheit der Kirche", schreibt der Kardinal an alle Gläubigen seiner Diözese. "Sollte ich diesen Dienst nicht mehr erfüllen können, dann wäre es an der Zeit - nach Beratung mit den diözesanen Gremien und auch der Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenbeirat - zum Wohl der Kirche zu entscheiden und meinen Amtsverzicht erneut anzubieten."

Kardinal Marx hatte Anfang Juni öffentlich gemacht, dass er Papst Franziskus am 21. Mai seinen Rücktritt angeboten hatte, um Mitverantwortung für das institutionelle und systemische Versagen der katholischen Kirche im Umgang mit der "Katastrophe des sexuellen Missbrauchs" zu übernehmen. Nur eine Woche, nachdem das Gesuch bekannt geworden war, hatte Franziskus es in einem überraschend deutlichen und sehr persönlichen Brief abgelehnt und Marx, seinen engen Berater, zum Weitermachen aufgefordert. Bischöfe sind dem Papst zum Gehorsam verpflichtet, sie können nicht einfach kündigen wie Arbeitnehmer.

"Auch für mich überraschend kam die Antwort des Papstes wenige Tage später", schreibt Marx nun und versichert, dass er die Entscheidung des Papstes in Gehorsam akzeptieren werde. "Aber für mich ist damit die Angelegenheit nicht einfach erledigt, so dass ich einfach weitermache als sei nichts geschehen", so Marx. "Natürlich werden die Kirche und auch das Bischofsamt nicht je neu erfunden. Wir stehen in einer langen Tradition, die aber immer neu weiterentwickelt werden muss." Für ihn bleibe die Erkenntnis einschneidend, "dass im Raum der Kirche so viele Menschen Unheil und Leid erfahren haben und nach wie vor daran schwer tragen. Dazu gehört der sexuelle Missbrauch."

Den Betroffenen zuzuhören sei unerlässlich, so Marx. "Erst in jüngerer Zeit beginnen wir zu verstehen, dass und wie sehr sexueller Missbrauch und Gewalt auch Konsequenzen für das Leben von indirekt Betroffenen haben, etwa in den Familien oder auch in unseren Gemeinschaften und Pfarreien." Erst am vergangenen Wochenende hatte Marx die Gemeinde in Garching an der Alz besucht, in der ein verurteilter Missbrauchstäter als Seelsorger zum Einsatz kam, ohne dass die Gemeinde von dessen Vergangenheit gewusst hätte. Laut Erzbistum wurde er dort wieder übergriffig. Marx sandte den Priester 2008 als Tourismus-Seelsorger nach Bad Tölz.

Gegen Marx persönlich gibt es zudem Vorwürfe, in seiner Zeit als Bischof von Trier zu zögerlich mit Missbrauchspriestern umgegangen zu sein. Eine Untersuchung für das Bistum Trier steht noch aus - mit Spannung erwartet wird allerdings ein Gutachten für das Handeln Verantwortlicher im Erzbistum München und Freising.

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