Der massenhafte Kindesmissbrauch von Lügde soll in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Die SPD als stärkste Oppositionsfraktion im nordrhein-westfälischen Landtag will einen entsprechenden Antrag stellen, allerdings erst wenn alle Anklagen gegen die drei Hauptbeschuldigten zugelassen sind. Diesen Vorratsbeschluss fasste die SPD-Fraktion in Düsseldorf, wie Fraktionschef Thomas Kutschaty erklärte.
Die Opposition in Nordrhein-Westfalen wirft Innenminister Herbert Reul (CDU) vor, die Dimension des Falls zu spät erkannt zu haben. Laut WDR sagte Kutschaty, der Ausschuss solle aufklären, "wann genau wer wovon Bescheid wusste". Es solle ausdrücklich nicht um die Rolle der Jugendämter gehen. Er befürchte, dass sonst auch Kinder als Zeugen vor den U-Ausschuss zitiert werden könnten.
Auch Grüne und AfD hatten sich schon für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen. Ohne die SPD-Fraktion würden sie aber nicht die notwendige Stimmenanzahl von mindestens 40 Abgeordneten erreichen. Die Grünen erhoffen sich laut Innenexpertin Verena Schäfer von dem U-Ausschuss auch die Chance, gemeinsam strukturelle Verbesserungen beim Kinderschutz zu erreichen.
Auf einem Campingplatz im lippischen Lügde soll ein 56 Jahre alter arbeitsloser Dauercamper mit einem 34-jährigen Komplizen über Jahre hinweg mehr als 40 Kinder missbraucht und dabei gefilmt haben. Die Anklagen gegen den 56-Jährigen und einen dritten Beschuldigten aus Stade liegen vor. Die Klageschrift gegen den 34-Jährigen wird noch erwartet.
Dem Hauptverdächtigen Andreas V. wirft die Staatsanwaltschaft 293 Fälle vor, verantworten muss er sich unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. In 226 der angeklagten Fälle soll V. die Kinder vergewaltigt haben. Keines seiner 22 Opfer war demnach zum Tatzeitpunkt älter als 13 Jahre, die meisten Grundschülerinnen und Grundschüler.
Für Aufsehen im Fall Lügde sorgte zudem, dass auch nach Freigabe des mutmaßlichen Tatortes durch die Polizeibehörden ein Abrissunternehmer auf dem Campingplatz noch weitere versteckte Datenträger mit kinderpornografischem Material fand. Den Behörden wird deshalb fehlerhafte Arbeit vorgeworfen.
Reul wies vor einigen Tagen eigene Versäumnisse zurück und sagte angesichts eines drohenden U-Ausschusses: "Sie können auch drei Untersuchungsausschüsse machen, ich habe kein Problem damit." Er werde aber mit dem Kampf gegen Kinderpornografie "nicht warten, bis ein Ausschuss fertig ist", sagte Reul.