Süddeutsche Zeitung

Missbrauchsfälle:Umstrittener Erzbischof Heße lässt ein Amt ruhen

Der Geistliche soll auf Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln nicht angemessen reagiert und gegen Kirchenrecht verstoßen haben. Unter dem Druck mehrerer Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zieht er nun Konsequenzen.

Von Annette Zoch, München

Die Vertuschungsvorwürfe gegen den Hamburger Erzbischof Stefan Heße im Zusammenhang mit Fällen sexualisierter Gewalt haben jetzt erste personelle Konsequenzen: Heße lässt sein Amt als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ruhen. Er nehme nicht an der am Freitag beginnenden Vollversammlung teil und werde "pausieren", sagte Heße laut Teilnehmern am Donnerstagabend bei einer außerordentlichen Online-Sitzung des ZdK.

Der Druck auf den Erzbischof war auch innerhalb des ZdK zuletzt enorm gestiegen: Die mitgliederstarke Arbeitsgemeinschaft der katholischen Organisationen Deutschlands (AGKOD) hatte Heße zuvor aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen. Die AGKOD vertritt 125 katholische Organisationen. In der außerordentlichen Sitzung soll Heße laut ZdK-Mitgliedern auch den Umgang mit den Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln angesprochen haben, wo er zuvor Personalchef und später Generalvikar war. "Da fällt natürlich mein Name, weil ich einige Jahre Verantwortung dort getragen habe", zitieren ihn Teilnehmer. Er bedauere, dass diese frühere Tätigkeit und die Debatte nun seinen Dienst als geistlicher Assistent des ZdK belaste. Es sei ihm ein großes Anliegen, dass sexueller Missbrauch aufgearbeitet werde. "Nur die Wahrheit macht frei und die Wahrheit macht auch mich frei", so Heße. Er für sich persönlich schließe jegliches Vertuschen ausdrücklich aus.

"Dankbar für seinen Mut"

ZdK-Präsident Thomas Sternberger sagte nach Teilnehmerangaben, er sei Heße "dankbar für seinen Mut". Außerdem kündigte er eine Entschließung des ZdK zum Thema sexualisierte Gewalt an, diese soll auf der Vollversammlung am Freitag und Samstag beschlossen werden. Sternbergs Worte und auch der Entwurf des Präsidiums für den Entschließungsantrag seien kontrovers diskutiert worden, hieß es aus ZdK-Kreisen. Der Text sollte noch in der Nacht überarbeitet werden.

Gegen Heße gibt es Vorwürfe aus seiner Kölner Zeit: Damals soll er auf Vorwürfe gegen Priester nicht angemessen reagiert haben, er selbst bestreitet das. Am Donnerstag zitierte die Zeit-Beilage "Christ und Welt" zudem ein Sondergutachten zum Fall von Pfarrer A., der zweimal wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt und trotzdem weiter in der Seelsorge eingesetzt wurde.

Das Sondergutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl wirft den früheren Kölner Kardinälen Joseph Höffner und Joachim Meisner im Fall von Pfarrer A. "pflichtwidriges" Verhalten vor. Pfarrer A. ist heute 87 Jahre alt, er war in den Bistümern Köln und Münster sowie von 2002 an im Bistum Essen tätig. "Ich habe Schuld auf mich geladen", sagte Essens Bischof Franz-Josef Overbeck der Zeit. Als er Anfang 2010 kurz nach seinem Amtsantritt von dem Fall erfahren habe, habe er sich nicht die Personalakte kommen lassen. "Sonst hätte ich die Dimension des Falls vielleicht gesehen." Kardinal Woelki bezeichnete den Umgang mit Pfarrer A. als "jahrzehntelange Aneinanderreihung schwerer Fehler". Dessen wiederholter Einsatz in der Seelsorge - auch unter Woelkis Vorgänger Joachim Meisner - sei "absolut unverantwortlich" gewesen, sagte er am Donnerstag dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de. Dafür müssten Verantwortliche "herausgefunden und benannt werden".

Die Münchner Kanzlei, die das Sondergutachen zu Pfarrer A. erstellte, hatte auch ein umfassendes Gutachten über Missbrauchsfälle im gesamten Erzbistum verfasst. Dieses muss aber auf Weisung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki unter Verschluss bleiben, er begründet dies mit methodischen Mängeln und Persönlichkeitsrechten.

Das Erzbistum Köln schaltete der Hochschulgemeinde die Internetseite ab

Im Erzbistum Köln beschäftigte man sich am Mittwoch auch noch mit anderen Fragen: Laut einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers hat das Erzbistum zeitweise die Internetseite der Katholischen Hochschulgemeinde Köln (KHG) stillgelegt. Grund ist ein Positionspapier, in dem die KHG unter anderem das Auftreten kirchlicher Amtsträger als "unerträglich" kritisiert und einen konsequenten Umgang mit Missbrauchstätern fordert.

Das Erzbistum teilte mit, es sei an kritischer Auseinandersetzung interessiert, auf Grundlage dieses Papiers sei aber kein sachlicher Dialog möglich. Den KHG-Mitarbeitern drohten arbeitsrechtliche Konsequenzen. Am Donnerstag war die Seite wieder zugänglich, allerdings ohne Positionspapier. Das aber ist weiterhin zu finden: Die Evangelische Hochschulgemeinde hat es unter einem Solidaritätslink veröffentlicht.

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