Ratzinger-Vertrauter:"Es gibt hier viel Dreck"

Ratzinger-Vertrauter: Der Dom von Essen: Bischof Franz-Josef Overbeck ist von Joseph Ratzingers Stellungnahme enttäuscht.

Der Dom von Essen: Bischof Franz-Josef Overbeck ist von Joseph Ratzingers Stellungnahme enttäuscht.

(Foto: Alessandra Schellnegger/Alessandra Schellnegger)

Die Kritik daran, wie der emeritierte Papst Benedikt XVI. mit den Vorwürfen gegen ihn im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen umgeht, reißt nicht ab. Sein Privatsekretär Gänswein sieht das als eine Kampagne.

Der emeritierte Papst bittet um Entschuldigung - doch einen Tag nach dem "Mea Culpa" von Benedikt XVI. in der Missbrauchsdebatte sind deutsche Katholiken und sogar Bischöfe enttäuscht. Sein Privatsekretär Georg Gänswein kämpft derweil um den Ruf und das Erbe des emeritierten Papstes. Er beklagt eine Kampagne gegen diesen und spricht von "viel Dreck".

Während der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, Benedikts Bitte um Entschuldigung am Dienstag noch begrüßt hatte, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck der katholischen Zeitung Neues Ruhrwort: "Ich befürchte, dass die Erklärung den Betroffenen in ihrem Aufarbeitungsprozess wenig weiterhelfen kann." Opfer sexualisierter Gewalt hätten sich beim Interventionsbeauftragten des Bistums gemeldet und "enttäuscht und teilweise auch entrüstet" auf Benedikts Äußerungen reagiert.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wertete die Ausführung des 94-Jährigen als zu vage und allgemein. "Die Empathie gegenüber den Betroffenen fehlt", sagte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Die zweite Reaktion von Papst Benedikt überzeugt leider nicht."

Am Dienstag hatte Joseph Ratzinger, der als Papst den Namen Benedikt XVI. trägt, persönlich zu dem am 20. Januar vorgestellten Gutachten über Missbrauch im Erzbistum München und Freising Stellung genommen und eine Mitschuld der kirchlichen Verantwortlichen eingeräumt. In einem zweieinhalbseitigen Brief äußerte er "tiefe Scham" und eine "aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs". In dem Gutachten wird Benedikt in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) Fehlverhalten vorgeworfen. Empörung löste aus, dass er in seiner Stellungnahme für das Gutachten abstritt, 1980 an einer brisanten Sitzung der Kirchenleitung teilgenommen zu haben. Die Gutachter warfen ihm vor, die Unwahrheit zu sagen - erst einige Tage später räumte er ein, doch dabei gewesen zu sein, und sprach von einem Fehler "bei der redaktionellen Bearbeitung" seiner Stellungnahme.

"Ja, eine kleine Gruppe von qualifizierten Leuten hatte Benedikt geholfen, dann gab es diesen Fehler und leider ist der niemandem aufgefallen", sagte sein Vertrauter Gänswein in einem Interview mit der italienischen Zeitung Corriere della Sera. Der Vorwurf der Lüge sei aber absurd. "Es gibt eine Strömung, die die Person und das Werk zerstören will", beklagte Gänswein. Für die Kritiker Benedikts und dessen Wirken sei nun "die ideale Gelegenheit, abzurechnen" und das Andenken des Papstes zu verfluchen. "Leider lassen sich viele von diesem feigen Angriff täuschen, es gibt hier viel Dreck." Juristen und Kirchenrechtler, die Ratzinger auch bei der Verfassung der Stellungnahme geholfen haben, weisen die Vorwürfe der Gutachter zurück.

Italiens Bischöfe stehen unter Druck, eine Untersuchungskommission einzurichten

Auch in Italien wird über den Brief von Benedikt XVI. debattiert. Es sei bemerkenswert, wenn ein emeritierter Papst von fast 95 Jahren über den Ausdruck "größte Schuld" nachdenke, wie ihn die Gläubigen zu Beginn der Messe bekennen, schreibt der Corriere della Sera aus Mailand. Die Zeitung La Repubblica sieht "Benedikts Wende" in einem Kommentar vor allem von deutschen Kirchenvertretern und der internationalen Presse "diktiert": Die gewählte "Verteidigungsstrategie" mit Allgemeinplätzen statt Einzelheiten hingegen sei auch Ergebnis des Einflusses jener Personen, die Benedikt umgeben.

Auch das Betroffenennetzwerk "Rete Abuso" meldete sich zu Wort. Dessen Präsident Francesco Zanardi zeigte sich enttäuscht von dem Brief. Er hinterlasse bei ihm ein schlechtes Gefühl und den "Beigeschmack einer gelenkten Sache". Die Nachrichten über den Brief Benedikts XVI. erhöhen den Druck auf die italienischen Bischöfe, eine eigene Untersuchungskommission einzurichten, wie sie Betroffenenverbände einfordern.

Die Bischöfe meinten, "dass Italien dank der katholischen Identität des Landes, die in Wahrheit nur noch eine Fassade ist, und der Angst vor den möglichen Folgen der Aufdeckung von Missständen vor dem Problem sicher ist", zitiert La Repubblica Paola Lazzarini, Vorsitzende eines italienischen Frauennetzwerks. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Gualtiero Bassetti, erklärte in den vergangenen Wochen, dass die italienische Kirche über eine Untersuchung nachdenke. Eingeleitet wurde sie bislang nicht.

Kardinal Wetter gibt Ehrenbürgerwürde zurück

Wegen Vorwürfen in dem Missbrauchsgutachten gibt nun der frühere Münchner Kardinal Friedrich Wetter die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Landau in der Pfalz zurück. Darüber informierte er Oberbürgermeister Thomas Hirsch (CDU) und den Stadtrat, wie die Stadt am Mittwoch mitteilte. Wetter wolle nicht, dass durch die Auseinandersetzungen um seine Person der Friede der Stadt gestört werde. Hirsch sprach Wetter Respekt aus.

Wetter warfen die Münchner Gutachter Fehlverhalten im Umgang mit 21 Missbrauchsfällen vor. Er übernahm Verantwortung und räumte ein, sich vor 2010 nicht eingehend mit den fatalen und zerstörerischen Folgen von Missbrauchstaten für Kinder und Jugendliche auseinandergesetzt zu haben. Wetter war 1982 als Nachfolger Ratzingers Erzbischof von München und Freising geworden. Ob man Ratzinger die Ehrenbürgerwürde entziehen soll, wird derzeit in verschiedenen bayerischen Kommunen diskutiert - etwa in Freising, Regensburg oder im Landkreis Traunstein.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKardinal Reinhard Marx
:"Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet"

Kardinal Reinhard Marx spricht sich für die Abschaffung des Pflichtzölibats aus. Und wenn dann alle Priester heiraten? Erst recht ein Zeichen dafür, dass es so nicht gut funktioniert. Ein Gespräch über Männerbünde, Priesterinnen und katholische Sexualmoral.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: