Psychologie:Dessen Name nicht genannt werden darf

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Sein Name ist mit einem Tabu belegt, und das macht die Angst vor ihm noch viel größer: Lord Voldemort, dargestellt von Ralph Fiennes, der Oberschurke aus dem Harry-Potter-Universum. (Foto: Cinema Publishers Collection/imago)

Warum Sprachtabus genau das Problem verschärfen könnten, das mit ihnen eigentlich gelöst werden soll

Von Sebastian Herrmann

Die Macht des dunklen Lords speist sich (auch) daraus, dass sein Name nicht ausgesprochen werden darf. Kaum jemand wagt es, diesen in den Mund zu nehmen. Er ist Du-weiß-schon-wer, er ist der, dessen Name nicht genannt werden darf. Wer den Namen dennoch ausspricht, provoziert Reaktionen, als schlügen Blitze in unmittelbarer Nähe ein. Die Rede ist, natürlich, von Lord Voldemort, dem Oberschurken aus dem "Harry Potter"-Universum. Die anderen Hexen und Zauberer zittern allein deshalb vor ihm, weil sein Name mit einem Tabu belegt ist. Statt die Macht Voldemorts per Sprachregelung zu brechen, gewinnt sie so neue Nahrung. Und damit zu den Sprachtabus, die sich gegenwärtig jenseits des fiktionalen Raums in der sogenannten Realität verbreiten.

Die edle Bestrebung, respektvoll zu kommunizieren und über Sprache Gerechtigkeit herzustellen, hat zahlreiche Tabus etabliert. Manche Begriffe sind unaussprechbar geworden, andere mit einem Makel versehen, einzelne Formulierungen gelten als fragwürdig. Die Sensibilitäten hätten sich derart ausgeweitet, so argumentieren Psychologen um April Bleske-Rechek in einer aktuellen Studie, dass die gute Absicht unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen könnte. Selbst harmlose und ohne böse Absicht ausgesprochene Worte könnten nun bei Adressaten als verletzend ankommen. Womöglich erzeugt und verstärkt das Tabu erst die Wirkung, vor der es schützen sollte.

Schwarze Menschen in Deutschland zu fragen, woher sie kommen, betrachten manche als Form von Alltagsrassismus, andere als ehrlich gemeinte Frage

Die Wissenschaftler um Bleske-Rechek beschäftigen sich in ihrer Studie mit sogenannten Mikroaggressionen. Dieses Konzept hat sich in den vergangenen Jahren vor allem an US-Universitäten etabliert. Es bezeichnet alltägliche Äußerungen, bewusst oder unbewusst ausgesprochen, die auch als abwertende Botschaften interpretiert werden könnten. Ein Beispiel wäre, schwarze Menschen in Deutschland zu fragen, woher sie kommen. Manche betrachten das als Form von Alltagsrassismus, andere sehen das als ehrlich gemeinte Frage.

Die Psychologen um Bleske-Rechek legten ihren Probanden nun Sätze vor, die dieser Frage ähnelten - wenigstens also von einer gewissen Ambivalenz waren. Hatten die Teilnehmer zuvor erfahren, dass derlei Aussagen im Sinne der Idee der Mikroaggression verletzen könnten, nahmen sie solche Sätze auch eher als verletzend wahr. Der Effekt gleicht also jenem von Beipackzetteln: Die Warnung vor Nebenwirkungen eines Medikaments verfügt über die Macht, dass Patienten diese erst recht an sich beobachten. Sprachtabus zu eng zu fassen, könnte also auf ähnliche Weise Nebenwirkungen haben. Besonders Menschen mit neurotischen Wesenszügen und einem Hang zu negativen Emotionen reagierten in der Studie empfindlich und interpretierten ambivalente Aussagen rasch als problematisch.

"Nicht jede wohlmeinende Idee ist auch wirksam", so die Psychologen. Manche Ansätze könnten das Problem verschärfen, das sie lösen wollten. Die ständige Verfeinerung sprachlicher Sensibilitäten und Tabus könnte dazu führen, dass sich am Ende immer mehr Menschen über Hass beklagen und von verbaler Gewalt drangsaliert fühlen, argumentieren die Forscher. Wenn dann am Ende alle verunsichert sind, freut das allenfalls die irdischen Stellvertreter des dunklen Lords.

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