Festnahme in MinnesotaMutmaßlicher Doppelmörder soll Abschussliste geführt haben

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Fahndung in Belle Plaine: Spezialkommandos suchen nach tödlichen Schüssen auf eine Politikerin und ihren Ehemann nach einem Verdächtigen.
Fahndung in Belle Plaine: Spezialkommandos suchen nach tödlichen Schüssen auf eine Politikerin und ihren Ehemann nach einem Verdächtigen. (Foto: George Walker IV/AP/dpa)

Nach den tödlichen Schüssen auf eine US-Demokratin und deren Ehemann haben Spezialkommandos einen dringend Tatverdächtigen festgenommen. Trump sagt nicht, was er tun will, um politisch motivierte Gewalt zu verhindern.

Von Boris Herrmann, New York

Nach rund 48 Stunden war es vorbei. Eine in der Geschichte des US-Bundesstaates Minnesota einzigartige Großfahndung endete mit der Festnahme des mutmaßlichen Doppelmörder Vance B., ganz in der Nähe des Hauses am Rand von Minneapolis, wo er mit Frau und Kindern lebte. Spezialeinsatzkommandos der Polizei haben ihn mit Drohnen aufgespürt, als er durch die Büsche seiner Nachbarschaft kroch. B. soll bei seiner Verhaftung am Sonntagabend bewaffnet gewesen sein, aber keinen Widerstand geleistet und seine Tat eingeräumt haben.

Diese Tat hat selbst im gewalterprobten Amerika eine relativ hohe Schockwelle geschlagen. Vance B. soll in der Nacht zum Samstag als Polizist verkleidet die demokratische Politikerin Melissa Hortman sowie ihren Ehemann Mark in deren Wohnhaus erschossen haben. Hortman gehörte zu den führenden Abgeordneten im Repräsentantenhaus von Minnesota. Bei einem weiteren Mordversuch soll B. den demokratischen Politiker John Hoffman sowie dessen Ehefrau Yvette niedergeschossen haben. Beide überlebten schwer verletzt und sollen sich auf dem Weg der Besserung befinden.

Sätze, die Trost spenden sollten, klangen auch ein wenig hilflos

Aber da sind auch die Wunden, die auf jeden Fall bleiben werden. Tim Walz, der Gouverneur von Minnesota, sagte: „Das kann nicht die Art und Weise sein, wie wir mit unseren politischen Differenzen umgehen.“ Walz, der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat von 2024, war ein Freund der ermordeten Politikerin Hortman. Seine Sätze sollten wohl Trost spenden. Aber sie klangen auch ein bisschen hilflos.

Die USA haben eine lange Erfahrung mit politischer Gewalt und politischen Attentaten, von dem Mord an John F. Kennedy bis zu dem Mordversuch an Donald Trump. Dennoch macht sich nun das Gefühl breit, dass hier etwas auf beispiellose Weise eskaliert. Erst vor wenigen Wochen war ein Brandanschlag auf das Privathaus von Pennsylvanias demokratischem Gouverneur Josh Shapiro verübt worden, während die Familie Shapiro darin schlief. Vor der israelischen Botschaft in Washington wurden Menschen erschossen, bei einer antisemitischen Attacke in Colorado mehrere Leute schwer verletzt.

Wie der Staatsanwalt Joseph Thompson am Montag mitteilte, fuhr der dringend Tatverdächtige von Minnesota in der Tatnacht zu insgesamt vier Politikern, um sie zu töten. Zuerst zu Hoffmann, dann zu einem Haus, in dem aber keiner war, am dritten Haus traf bereits die Polizei ein. Woraufhin Vance B. zu den Hortmans gefahren sei. Im Auto desV erdächtigen soll eine mutmaßliche Abschussliste gefunden worden sein, auf der offenbar Dutzende Namen standen, darunter zahlreiche Politikerinnen und Politiker der Demokraten. Aber auch Adressen von Einrichtungen für Familienplanung und Sexualmedizin. Die ermordete Politikerin Hortman hatte sich in Minnesota unter anderem für Gesetze eingesetzt, die das Recht auf Abtreibung ausweiteten. Einiges deutet darauf hin, dass der viel zitierte Kulturkampf nun verstärkt mit Waffengewalt geführt wird.

Die Meinungen, wie Politiker besser zu schützen wären, gehen weit auseinander

Landesweit verurteilten Politiker beider Parteien die Tat. Aber an diesem Montag kamen die Abgeordneten und Senatoren in Washington zusammen, um sich mit der Frage zu befassen, was konkret getan werden müsse, um Politiker in den USA besser zu schützen. Und diesbezüglich gehen die Meinungen schon wieder recht weit auseinander.

Chuck Schumer, der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, sagte, dass es nicht mehr ausreiche, solche Taten zu verurteilen – und dann einfach so weiterzumachen, als ob nichts geschehen wäre. Man müsse auch nach den Ursachen der Gewalt fragen. Amy Klobuchar, Senatorin aus Minnesota und wie Tim Walz mit dem Mordopfer befreundet, rief alle Kolleginnen und Kollegen im politischen Betrieb dazu auf, über ihre Rhetorik nachzudenken: „Die Menschen werden immer wütender und wütender und sie haben damit begonnen, was sie online lesen, in die Tat umzusetzen.“

Präsident Trump hatte am Wochenende gesagt: „Solche schreckliche Gewalt wird in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht toleriert werden.“ Er hat aber nicht gesagt, was er unternehmen will, um politisch motivierte Gewalt zu verhindern. Er hat es auch nicht verurteilt, dass die Aggression in der vergangenen Woche ganz konkret von seiner Regierung ausging, als nämlich bei einer Pressekonferenz von Heimatschutz-Ministerin Kristi Noem in Kalifornien der demokratische Senator Alex Padilla kurzfristig in Handschellen gelegt wurde. Er hatte Noem eine Frage stellen wollen.

Wäre Donald Trump ein Präsident aller Amerikaner, dann hätte man von ihm in solch einer Situation vielleicht eine Rede an die Nation erwarten können, in der er zur Einheit aufruft – oder irgendeine Botschaft, um die Gemüter zu beruhigen. Aber das ist natürlich ein naiver Gedanke. Trump hat am Sonntagabend stattdessen das getan, was man von ihm erwarten musste: Er befahl der Abschiebebehörde ICE insbesondere in amerikanischen Großstädten wie Los Angeles, Chicago oder New York, jetzt noch schonungsloser gegen Immigranten vorzugehen. Denn, so Trump, diese Städte seien die „Machtzentren der Demokraten“. Es war nichts anderes als ein Aufruf zur politischen Gewalt.

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