Ministerwechsel im Bendlerblock:Amt und Bürde

Der scheidende Verteidigungsminister übergibt das Amt an seinen Nachfolger. Immer wieder hatte Guttenberg selbst betont, dass Aufstieg und Fall nah beieinander liegen. Oft war das ein Kokettieren, doch in Schloss Bellevue muss er schmerzhaft erfahren, wie viel Wahrheit darin steckt.

Lena Jakat, Berlin

Karl-Theodor zu Guttenberg lacht. Und Thomas de Maizière lacht auch. Der Wind weht den kurzen Moment über den Exerzierplatz vor dem Verteidigungsministeriums. Der scheidende Verteidigungsminister ist eben dabei, seinem Nachfolger hochrangige Soldaten vorzustellen. Auf halber Höhe der Reihe aus Männern in Uniform und Zivil sagt offenbar jemand etwas Lustiges, die Politiker lachen auf. Es ist allerdings wohl der einzige Augenblick, der Guttenberg an diesem sonnigen Donnerstag Anlass zu Fröhlichkeit bietet. Es sind seine ersten Stunden als Ex-Verteidigungsminister.

Am Vormittag hat Bundespräsident Christian Wulff ihm seine Entlassungsurkunde überreicht. Erst gut ein Jahr ist es her, dass Guttenberg zuletzt eine Urkunde in Schloss Bellevue entgegennahm. Damals ernannte ihn Horst Köhler zum jüngsten Verteidigungsminister der Geschichte. Nicht nur die Union setzte große Hoffnungen auf den CSU-Politiker, auch die Öffentlichkeit feierte Guttenberg als einen neuen Typ Politiker, als Macher mit Charisma und begrüßte den Interims-Wirtschaftsminister mit astronomischen Umfragewerten im neuen Amt.

Immer wieder hat Guttenberg selbst betont, dass Aufstieg und Fall nah beieinander lägen. Oft war das ein Kokettieren mit der eigenen Beliebtheit - doch auf dem hellen Teppich von Schloss Bellevue muss Karl-Theodor zu Guttenberg schmerzhaft erfahren, wie viel Wahrheit in dieser Binse liegt.

Der Ort ist derselbe wie vor 16 Monaten, doch die Umstände könnten unterschiedlicher nicht sein, als der Noch-Verteidigungsminister um zehn Uhr vor den Bundespräsidenten tritt. Guttenberg ist von ganz oben nach ganz unten abgestürzt, vom "Hoffnungsträger" zum "Hochstapler", vom "fränkischen Freiherrn" zum "Herrn von und zu Copyberg". Am Dienstag erklärte er seinen Rücktritt von allen Ämtern, am Donnerstagmorgen bestätigte Bundestagspräsident Norbert Lammert den Eingang von Guttenbergs Mandatsniederlegung. Gegen ihn ermittelt nun die Staatsanwaltschaft.

Als Wulff ihm die Entlassungsurkunde überreicht, wirkt Guttenberg gefasster als bei seiner Rücktrittserklärung. Allerdings sieht der Politiker in weißem Hemd und rosa Krawatte müde aus, kein Lächeln, kaum ein Mienenspiel. Der selbstsichere Büßer Guttenberg, der in der vergangenen Woche noch einer aufgebrachten Opposition im Bundestag gegenübertrat, ist verschwunden. Sein Blick, ernst, bleibt während der kurzen Zeremonie ganz an Wulff geheftet, fast scheint er die Kameras zu meiden, die er bis vor einigen Wochen stets gesucht hat. Erst als der Bundespräsident dem Minister für "seinen überaus engagierten Einsatz für unser Land" dankt und ihm "ausdrücklich Respekt" zollt, ringt der sich ein schwaches Lächeln ab.

Nur gut zehn Minuten dauert es, bis Guttenberg offiziell entlassen, de Maizière zu seinem Nachfolger ernannt und der bisherige CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich zum neuen Innenminister gekürt ist. Als Guttenberg nach einem letzten festen Händedruck der Kanzlerin den Raum durch die hohe Flügeltür verlässt, ist er schon nicht mehr Verteidigungsminister.

Den zweiten Amtsakt an diesem Donnerstag absolviert Guttenberg in sicherer Distanz von den Kameras und Notizblöcken der Medien. Auf dem Exerzierplatz des Bendlerblocks hält sie eine dicke rote Kordel zurück. Seit die Süddeutsche Zeitung am 16. Februar den ersten Bericht über nicht zitierte Abschnitte in Guttenbergs Dissertation veröffentlichte, ist darüber diskutiert worden, welchen Beitrag die Medien zu der Plagiatsaffäre leisteten, die Guttenberg schließlich zu Fall brachte.

Der Minister und die Medien

Er selbst hat ihnen immer wieder, zuletzt noch in seiner Rücktrittserklärung, Schuld zugewiesen: "Wenn allerdings, wie in den letzten Wochen geschehen, die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt", sagte Guttenberg am Dienstag, "so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zu Lasten der mir Anvertrauten statt."

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Amtsübergabe vor den Soldaten: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit seinem Nachfolger Thomas de Maizière bei der feierlichen Zeremonie im Verteidigungsministerium.

(Foto: AFP)

Guttenberg, der eine Talkshow an den Hindukusch holte und wie kein anderer deutscher Politiker auch ein Liebling der Boulevard- und Promipresse war, muss die Kameras in diesen Tagen zum ersten Mal ertragen, ob er will oder nicht.

Um 12:30 Uhr betreten der alte und der neue Verteidigungsminister gemeinsam ein rotes Podest, das fast verloren wirkt auf dem riesigen Platz vor dem Ministerium. Das Musikkorps der Bundeswehr spielt die Nationalhymne, danach eine fröhliche Marschmelodie, zu der Guttenberg und de Maizière die Ehrenformation des Wachbataillons abschreiten. Nachdem die Soldaten in den Gardeuniformen von Heer, Marine und Luftwaffe in streng synchronem Schritt den Platz wieder verlassen haben, legen die Unionspolitiker einen Kranz am Mahnmal der Bundeswehr nieder, ziehen sich einen Moment lang ins Innere des Gedenkbaus zurück.

Dort sind keine Kameras erlaubt, ein Trompeter spielt "Ich hatt' einen Kameraden". Für Guttenberg dürfte es ein wehmütiger Vorgeschmack auf nächsten Donnerstag sein. Dann wird er mit einem Großen Zapfenstreich, dem höchsten Zeremoniell der Bundeswehr, endgültig verabschiedet.

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