Wulff-Nachfolger McAllister:Die Kunst des Ungefähren

Welche Aufgaben auf den neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister warten und warum es Christian Wulffs Thronfolger trotz seiner Bierzelt-Passion nicht leicht haben wird.

Jens Schneider

Es hat nie Zweifel gegeben, nicht einmal aus der zweiten oder dritten Reihe. Vor fast genau zwei Jahren schon hat Christian Wulff in Niedersachsen den Vorsitz der CDU an David McAllister übergeben, und eigentlich sogar schon länger stand fest, dass der in Berlin geborene Sohn eines schottischen Militärbeamten und einer deutschen Musiklehrerin Wulff auch als Ministerpräsident folgen soll. Es war nur noch eine Frage des Zeitpunkts.

McAllister soll auf Wulff folgen

Er folgt Christian Wulff als Ministerpräsident von Niedersachsen nach: David McAllister.

(Foto: ddp)

So wurde der 39-Jährige mit den zwei Staatsbürgerschaften - der deutschen und der britischen - Anfang Juni von seinen Parteifreunden ohne Gegenstimmen für das Amt nominiert, nachdem Wulff Kurs auf Schloss Bellevue genommen hatte. An seiner Wahl an diesem Donnerstag zweifelte niemand im Landtag zu Hannover; seine Regierungserklärung hat er den Fraktionsvorsitzenden schon schriftlich zukommen lassen.

In der CDU kommt der Jurist aus Bad Bederkesa im Kreis Cuxhaven bei manchen sogar längst besser an als Wulff. Schon bei der Wahl zum Parteichef vor zwei Jahren feierte die Basis ihn überschwänglich. Wo Wulff stets mit einem unnahbaren Lächeln gezielt Distanz wahrte, gewann McAllister mit seinem offenen Naturell, seinem Spaß an Hintersinn und Albernheiten, seiner Freude an ausgelassenen Partys und zünftigen Schützenfesten Vertrauen an der Basis.

Der Vater von zwei Mädchen - Jamie Elizabeth und Mia Louise - ist, in Norddeutschland eine Seltenheit, ein Politiker mit Bierzelt-Passion. Die ungeduldige Dynamik ist ein auffallender Wesenszug an McAllister. Aber er blieb immer loyal zu Wulff und wartete ohne äußere Anzeichen von Ungeduld, obwohl er längst schon auch auf Bundesebene hätte aufsteigen können. Er wird bundesweit zu den wenigen großen Nachwuchstalenten der CDU gezählt. Die Kanzlerin, heißt es, wollte ihn einmal als Generalsekretär nach Berlin holen.

Diese Rolle hatte er im Alter von gerade 32 Jahren auch schon in seiner Heimatland für Wulff übernommen. McAllister attackierte seinerzeit lustvoll und mit Sprachwitz die politischen Gegner. Gern erinnert wird an seinen Konter auf eine Spitze von Sigmar Gabriel, dem heutigen SPD-Chef. McAllister benehme sich wie ein Pitbull und sei das Hündchen von Wulff, mokierte sich Gabriel über dessen wilde Attacken. Der gab zurück, dass er "lieber der Terrier von Wulff als der Mops von Schröder" sein möge.

Stil des Ungefähren

Je näher er nun aber der Macht im Land rückte, desto mehr kopierte McAllister freilich den Stil des Ungefähren, den Wulff so gern pflegte. Zu zentralen Fragen sagt er oft staatstragend wenig bis nichts. Nicht nur die Opposition in Hannover moniert, dass man von dem bekennenden Konservativen nicht weiß, wie konservativ oder modern er in der Familien- oder Umweltpolitik ist. Unklar ist auch, wie McAllister die drückenden Probleme des Landes lösen will.

Denn der Regierungschef Wulff hat zwar personell sein Haus gut bestellt. In der Landespolitik aber gibt es Aufgaben, die es McAllister schwer machen könnten, als Ministerpräsident schnell in Niedersachsen beliebt zu werden. Vor allem die extrem hohe Verschuldung wird ihn schon kurz nach der Amtsübernahme zu unpopulären Maßnahmen zwingen. Niedersachsen macht allein in diesem Jahr 2,3 Milliarden Euro neue Schulden. Bisher nur intern wird der Landeshaushalt für 2011 vorbereitet, aber erst nach der Sommerpause soll die Klausurtagung der neuen Landesregierung das erwartete harte Sparprogramm beschließen.

Die Karten werden neu gemischt

Wulff hat das Problem nicht angepackt, so wie er angesichts des Widerstands gegen die Erkundungen für ein Atommüll-Endlager in Gorleben auch keine klare Position zur Atomkraft gezeigt hat. Da wird es für McAllister nicht leicht sein, die seit dem Wahlsieg im Jahr 2003 bestehende Dominanz der CDU zu erhalten. So werden die Karten neu gemischt mit Blick auf die Landtagswahlen in knapp zwei Jahren.

Denn gleichzeitig mit der CDU hat sich die SPD mit dem jungen neuen Fraktionschef Stefan Schostok und dem Vorsitzenden Olaf Lies neu aufgestellt. Vor allem Lies ist seit seiner Wahl vor wenigen Wochen bereits als frisches Talent aufgefallen, das auch über die sozialdemokratische Klientel hinaus Eindruck macht und zugleich, wichtig für künftige Machtoptionen, in Hannover einen für einen SPD-Chef ungewöhnlich entspannten Umgang mit der Linken pflegt.

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