Das neue 49-Euro-Ticket wird wohl noch nicht, wie von Bundesverkehrsminister Volker Wissing erhofft, zum Jahreswechsel kommen. Deutschlands Verkehrsbetriebe halten den Termin nicht für umsetzbar. "Der 1. Januar wird es sicher nicht. Das ist unrealistisch und zeitlich nicht zu schaffen", sagte der Chef des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, der Süddeutschen Zeitung. Er stellt frühestens März in Aussicht. "Auch die Einführung zum März wird anspruchsvoll. Aber das müssen wir hinbekommen", sagte Wolff weiter.
Die Einführung eines Festpreises für den öffentlichen Nahverkehr bezeichnete Wolff als "Paradigmenwechsel". Für die Verkehrsbetriebe schaffe das Probleme, weil ihnen die Chance genommen werde, auf höhere Kosten mit höheren Preisen zu reagieren. "Die ersten Betriebe denken wegen der stark steigenden Energiekosten darüber nach, Linien auszudünnen und Strecken einzustellen. Ich bin in Sorge um das künftige Angebot im Nahverkehr", sagte Wolff.
Auch Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags, zeigte sich unzufrieden mit den Einigungen von Bund und Ländern vom Mittwoch. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur, das neue Ticket und ein besseres Verkehrsangebot sei mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zu machen. Er habe die Befürchtung, dass Fahrpläne ausgedünnt werden müssen, "die Verkehrswende droht damit auf dem Abstellgleis zu landen".
Lewe bemängelte zudem die aus seiner Sicht nicht ausreichenden Hilfen zur Aufnahme von Geflüchteten. Die Herausforderungen wüchsen mit jedem Tag. Aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern kämen immer mehr Menschen nach Deutschland.
Aus den Bundesländern kamen am Tag nach der Ministerpräsidentenkonferenz überwiegend, wenn auch eingeschränkt, positive Reaktionen zu den Beschlüssen. Er sei zwar erleichtert, dass Bürger nun entlastet werden, sagte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), mahnte aber angesichts der Belastungen für den Haushalt: "Das wird alles andere als einfach. Wir werden sowohl bei der Unterbringung von Geflüchteten als auch beim öffentlichen Nahverkehr mit deutlich weniger Geld als notwendig aus Berlin klarkommen müssen."
Sozialverbände sehen zudem noch Verbesserungsbedarf am Entlastungspaket. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte, dass Menschen, deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt, und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen stärker berücksichtigt werden müssten. So seien zwar Gas- und Strompreisbremse sinnvolle Instrumente. Dass der Staat im Dezember die Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme übernehme, sei jedoch "ein Schritt zurück", denn hiervon profitierten auch Menschen mit hohem Einkommen. Stattdessen brauche es zielgenaue Hilfszahlungen, um den ärmsten Menschen "schnell und unbürokratisch" zu helfen.
Der Sozialverband Deutschland zeigte sich enttäuscht, dass keine Einigung für eine Energiepreisbremse erzielt werden konnte, die das Heizen mit anderen Brennstoffen wie Öl einschließt. Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier übte auch Kritik am sogenannten Deutschlandticket. Es sei gut, dass es eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket geben soll. Aber nicht alle Menschen könnten sich den Preis von 49 Euro leisten. "Deshalb fordern wir weiterhin ein 365-Euro-Ticket. Ein Euro pro Tag für Mobilität, das wäre wirklich sozial verträglich."