Ministerpräsident Sellering:Der Sonnenmacher

Erwin Sellering hat die Wahl verdient gewonnen. Allerdings darf man den Stil dieses Regierungschefs nicht verklären. Wenn es um Stimmen geht, heiligt bei ihm der Zweck die Position.

Von Thomas Hahn

Der Juniorpartner und Herausforderer hat es schwerer, das hat der CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier von Anfang an gewusst. Während des Wahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern mag er deshalb manchmal etwas neidisch zu seinem SPD-Kontrahenten, dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering, hinübergeschielt haben, wenn dieser das Volk mit seiner Anwesenheit beglückte. "Der Ministerpräsident ist immer für den Sonnenschein zuständig. Die Fachminister müssen eher Probleme austragen", sagte Caffier. Und gerade ihn, den Innenminister der rot-schwarzen Koalition, sahen wenige im Land als Schönwetter-Macher.

Verloren hat Caffier die Wahl aus anderen Gründen. Aber dass der Sieger Sellering seinen Amtsbonus zu nutzen wusste bei der Stimmenjagd, ist auch klar. Er steht damit in einer Linie von mehreren Ministerpräsidenten, die mit ihrer Beliebtheit ganze Parteien zum Erfolg führten: Der Grüne Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hat das geschafft, die Sozialdemokratin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz und auch deren Parteifreund Olaf Scholz in Hamburg.

Sellering gehört zu jenen Alpha-Politikern, die in ihrem Land als Star funktionieren. Er betreibt eine durchaus straffe Regierungspolitik, die nicht nur Freude stiftet, aber Wirtschaftswachstum und geringere Arbeitslosigkeit bringt. Und wenn Sellering dann Zustimmung braucht, schlüpft er gekonnt in die Rolle des volksnahen Landesvaters. Ohne viel Getöse inszeniert er sein Selbstbewusstsein im Gespräch mit den Bürgern, zählt Erfolge auf, warnt vor dem Wechsel. Er lächelt, er wirkt jovial und zuverlässig, und weil sich viele Leute ans Bewährte halten, folgen sie ihm, dem netten Herrn Ministerpräsidenten.

Er weiß, wie man sich vom CDU-Minister absetzen kann

Erwin Sellering hat die Wahl verdient gewonnen. Allerdings darf man seinen Stil nicht verklären. Wenn es um Stimmen geht, heiligt bei ihm der Zweck die Position. Als Sozialdemokrat tritt er auf, wenn er für Tariflöhne, Gewerkschaften und sozialen Zusammenhalt wirbt. Aber bei Bedarf liefert er auch stramm konservative Positionen: Mit seiner Haltung in der Flüchtlingsfrage könnte er in der CSU Karriere machen. Und die Befindlichkeiten des Ostens versteht er, der frühere Verwaltungsrichter aus dem Ruhrgebiet, so gut, dass sich mancher alte DDR-Dissident wundern muss. Sellering will nicht nur die Angleichung der Ost-Renten ans West-Niveau und Tauwetter mit Russland. Er hat auch schon den Rostocker Bundespräsidenten Joachim Gauck ermahnt, weil dieser die DDR einen Unrechtsstaat nannte.

Das ist manchmal schon sehr viel Sonnenschein, den Sellering verbreitet. Gleichzeitig hat auch er es nicht geschafft, den Frust in den strukturschwachen Gebieten zu lindern, der die AfD begünstigte. Sellering nimmt sich die Haltungen, die er braucht, um möglichst vielen Leuten zu gefallen. Wer es genauer nimmt mit den Brüchen im ausgedünnten Land, wirkt neben ihm leicht freudlos und pessimistisch. Beliebigkeit ist eine wichtige Zutat im Erfolgsrezept des Ministerpräsidenten Sellering.

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