Minister Dirk Niebel:"Ich werde mehr tun als meine Vorgängerin"

Dirk Niebel ist zu seiner eigenen Überraschung Entwicklungsminister geworden. Damit führt er ein Ressort, das seine Partei eigentlich abschaffen wollte.

Stefan Braun, Peter Blechschmidt

Dirk Niebel, 46, früher FDP-Generalsekretär, ist auch zu seiner eigenen Überraschung Entwicklungsminister geworden. Damit führt er ein Ressort, das seine Partei abschaffen wollte - was seinen Start ins neue Amt nicht eben erleichtert hat. Im SZ-Interview erklärt er, was er anders machen will - in Afghanistan und gegenüber China.

Minister Dirk Niebel: Seine Partei wollte das Bundesentwicklungsministerium abschaffen, nun leitet er es: Dirk Niebel (FDP).

Seine Partei wollte das Bundesentwicklungsministerium abschaffen, nun leitet er es: Dirk Niebel (FDP).

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Niebel, Sie sitzen auf einem Stuhl, den Ihre Partei abschaffen wollte. Wie erklären Sie das den Leuten?

Niebel: Die FDP wollte das Ministerium ins Auswärtige Amt integrieren, weil in der Vergangenheit beide Häuser nicht miteinander, sondern gegeneinander gearbeitet haben. Jetzt sprechen der Außenminister und ich mit einer Stimme.

SZ: Dann können Sie Ihr Ministerium jetzt doch erst recht auflösen.

Niebel: Das wäre falsch. Insgesamt ist ein selbständiges Ressort natürlich effizienter in der Entwicklungszusammenarbeit. Unsere alte Forderung war eine Notlösung, um eine kohärente Außenpolitik sicherzustellen.

SZ: Da lernt ein Oppositionspolitiker, der plötzlich Minister geworden ist.

Niebel: Ich bin überzeugt, dass die gesamte Partei das mittlerweile so sieht.

SZ: Wie haben Sie die erste heftige Kritik überstanden? Ohren zu - und durch?

Niebel: Fünf Jahre Generalsekretär - das stählt. Außerdem: Ich kann noch positiv überraschen. Anderen, die mit viel Vorschusslorbeeren gestartet sind, wird das schwerer fallen.

SZ: Kein außenpolitisches Thema ist derzeit so brisant wie Afghanistan. Dabei redet im Augenblick kein Mensch über die Entwicklungspolitik. Liegt das daran, dass sie irrelevant geworden ist?

Niebel: Nein. Überhaupt nicht. Ich habe gerade erst 52 Millionen Euro zusätzlich für Ausbildungs- und Infrastrukturprojekte frei gemacht. Damit gibt allein das Entwicklungsministerium in diesem Jahr 144 Millionen Euro, um beim zivilen Aufbau zu helfen.

SZ: Ist das nicht ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein?

Niebel: Ich werde mehr tun als meine Vorgängerin. Wenn es uns nicht gelingt, dass die Menschen den Lebensunterhalt ohne Drogenanbau verdienen können, wird es keine dauerhafte Sicherheit und Selbständigkeit der Afghanen geben. Dann können wir auch nicht abziehen.

SZ: Sie wollen also die Prioritäten in Ihrem 5,8 Milliarden Euro starken Budget verschieben. Mit dem, was Sie bisher tun, können Sie Ihr Ziel nicht erreichen.

Niebel: Warten Sie mal die Afghanistan-Konferenz Ende Januar ab. Wir werden uns als Regierung in den nächsten Wochen sehr sorgfältig darauf vorbereiten. Wenn Sie außerdem die 108 Millionen Euro aus dem Auswärtigen Amt für Afghanistan dazurechnen, kann sich die Summe sehen lassen.

SZ: Das ist noch kein großer Sprung.

Über die Zusammenarbeit mit China

Niebel: Doch. Es wird mit mir eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit geben. Meine Vorgängerin hat sich immer von der Bundeswehr ferngehalten. Das wird es mit mir nicht mehr geben. Ich will keine Militarisierung der Entwicklungspolitik, aber eine echte Verzahnung. Da, wo unsere Soldaten für Sicherheit sorgen, sollen auch die Menschen spüren, dass es ihnen persönlich besser geht. Ich widerspreche dezidiert den Behauptungen, eine stärkere Kooperation würde den Wiederaufbau gefährden. Das Gegenteil ist der Fall.

SZ: Barack Obama bläst in Afghanistan zum letzten Gefecht. Sehen Sie das auch so?

Niebel: Natürlich müssen wir jetzt die zivilen Anstrengungen noch einmal verstärken. Die Bundesregierung lehnt es aber ab, das mit einem konkreten Abzugsdatum für unsere Truppen zu verbinden. So würden wir die Taliban nur einladen, bis zum Abzugstermin stillzuhalten und danach umso mehr wieder zuzuschlagen.

SZ: Ein erstes Stichwort Ihrer Amtszeit war China. Sie werden die Entwicklungszusammenarbeit beenden. Umweltexperten halten das für unklug, weil man damit vor allem die wichtige Kooperation in der Ökologie gefährdet.

Niebel: Es werden alle angefangenen Maßnahmen zu Ende geführt. Wir werden in China keine Förderruinen hinterlassen. Aber: China ist eine ökonomische Supermacht, China ist auf Augenhöhe, China hat enorme Devisenreserven und engagiert sich selbst mit hohen Milliardenbeträgen als Geberland. Hier kann und muss man Prioritäten verschieben. Das heißt aber nicht, dass wir alles beenden. Der Rechtsstaatsdialog bleibt. Außerdem werde ich an der Botschaft in Peking noch mal einen unserer Experten einsetzen, weil wir den als Pfadfinder behalten wollen. Er soll vermitteln und Türen öffnen, auch für deutsche Firmen.

SZ: Stehen Sie für eine stärker interessengeleitete Entwicklungspolitik?

Niebel: Wir werden uns weiter auch von Werten leiten lassen. Aber: Ja, ich will sie mehr als bisher an unseren eigenen Interessen ausrichten. Man darf darauf hinweisen, dass es - zum Beispiel im Klimabereich - sehr gute deutsche Produkte gibt. Es darf der deutschen Wirtschaft nutzen, wenn wir Entwicklungszusammenarbeit betreiben.

SZ: Heißt das: Keine Zusammenarbeit mehr ohne Auftrag für deutsche Firmen?

Niebel: Nein. Keine Verpflichtungen. Ich bin auch ein Freund des Wettbewerbs. Aber die Tür zu öffnen für den deutschen Mittelstand - das ist richtig, wichtig und darum auch meine Aufgabe.

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