Gabriel warnt vor Lohndumping:"Lidl ist weiter als Union und FDP"

Ungewohnte Allianz: SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel unterstützt den Discounter Lidl, der einen Mindestlohn von zehn Euro fordert.

Thomas Öchsner, Berlin

Nach dem Vorstoß des Discounters Lidl für einen bundesweiten Mindestlohn hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die schwarz-gelbe Koalition aufgefordert, ihre "Blockadehaltung" bei einer gesetzlichen Lohnuntergrenze aufzugeben. Dafür sei es "allerhöchste Zeit, andernfalls droht dem deutschen Arbeitsmarkt von Mai an verstärkt massives Lohndumping", sagte Gabriel der Süddeutschen Zeitung.

Gabriel SPD Lidl Mindestlohn

"Nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch ökonomisch unverzichtbar": Sigmar Gabriel wirbt für Mindestlöhne.

(Foto: dpa)

Vom kommenden Mai an dürfen Bürger aus acht mittel- und osteuropäischen EU-Staaten in Deutschland uneingeschränkt arbeiten. Lidl hatte sich für einen branchenübergreifenden Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde starkgemacht - und unterstützt damit eine Forderung der Linkspartei. Diese schlägt vor, bis 2013 eine Untergrenze von zehn Euro schrittweise einzuführen. Die SPD tritt dagegen - genauso wie die Gewerkschaften - für einen einheitlichen Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro ein.

Gabriel sagte zu dem Lidl-Vorschlag: Immer mehr Unternehmen würden erkennen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn "nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch ökonomisch unverzichtbar ist. Denn heute muss der Staat mit Milliardenbeträgen Armutslöhne aufstocken." Organisiertes Lohndumping gehe zu Lasten der Arbeitnehmer, der Binnenkonjunktur, aber auch der Unternehmen, die faire Löhne zahlen. "Selbst der Discounter Lidl ist offensichtlich weiter als die Marktideologen in Union und FDP", kritisierte der SPD-Chef.

Linken-Parteichef Klaus Ernst warnte ebenfalls vor einer "neuen Lohndumpingwelle'' nach dem 1. Mai 2011. Den Vorstoß von Lidl sieht er aber nicht nur positiv: ,,Der gesetzliche Mindestlohn ist zu wichtig für Millionen Arbeitnehmer, als dass man damit PR-Aktionen betreiben sollte'', sagte er der SZ.

Verdi: Löhne zum Leben "kein Wettbewerbsnachteil"

Das Unternehmen, das wegen der Bespitzelung von Mitarbeitern negativ aufgefallen war, zahlt nach eigenen Angaben ohnehin allen 50.000 Mitarbeitern in Deutschland mindestens zehn Euro die Stunde. Eine solche Bezahlung lasse sich jedoch nicht einfach auf mittelständische Einzelhändler in strukturschwachen Regionen übertragen.

"Das ist nicht realistisch, sagte Heribert Jöris, Geschäftsführer des zuständigen Arbeitgeberverbands HDE. Er wies darauf hin, dass die untersten Tariflöhne zwischen etwa sieben Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 8,80 Euro in Baden-Württemberg liegen. Der HDE arbeitet derzeit gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi an einen Branchen-Mindestlohn für den Einzelhandel.

Für Verdi-Vizechefin Margret Mönig-Raane zeigt das Beispiel Lidl, dass "Löhne, von denen die Beschäftigten leben können, kein Wettbewerbsnachteil sind". Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Von einem Mindestlohn müssten auch Leiharbeiter profitieren. Außerdem sei es längst überfällig, "dass der Einzelhandel von der Unsitte wegkommt, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu nutzen. Stattdessen sollte es nur noch sozialversicherungspflichtige Voll- und Teilzeitstellen geben", sagte Mönig-Raane.

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