Höherer Mindestlohn:FDP verhindert elektronische Arbeitszeiterfassung

Höherer Mindestlohn: Musste seine Pläne nach dem Einspruch der FDP stutzen: Hubertus Heil (SPD)

Musste seine Pläne nach dem Einspruch der FDP stutzen: Hubertus Heil (SPD)

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Eigentlich wollte Sozialminister Hubertus Heil mit der Erhöhung des Mindestlohns auch einführen, dass die Stundenzahl manipulationssicher festgehalten wird. Daraus wird nun nichts - wegen Einwänden der FDP.

Von Roland Preuß, Berlin

Mit dem allgemeinen Mindestlohn haben die Behörden bereits einige Erfahrung sammeln dürfen, er gilt schon seit Anfang 2015. Eine der Erfahrungen ist: Es gibt immer wieder dubiose Arbeitgeber, die versuchen, die Lohnuntergrenze zu umgehen, Tricks dazu kursieren im Internet. Eine der größeren Probleme ist die Art, wie die Arbeitszeit aufgezeichnet wird. Wenn ein Teil der geleisteten Stunden gar nicht erfasst oder später in der Tabelle Zahlen frisiert werden, dann erhalten die Beschäftigten doch wieder weniger als den Mindestlohn - während nach außen alles ganz legal aussieht.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte die anstehende Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober und die parallele Erhöhung der Minijobs-Obergrenze von 450 auf 520 Euro nun dazu nutzen, auch die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit deutlich schärfer zu regeln.

Im bisherigen Gesetzentwurf sollten Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, den Beginn der täglichen Arbeitszeit "jeweils unmittelbar bei Arbeitsaufnahme sowie Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch und manipulationssicher aufzuzeichnen". So sollte verhindert oder erschwert werden, dass falsche Angaben gemacht werden oder der Arbeitgeber oder der Beschäftigte selbst nachträglich die Eingaben ändern. Jede Änderung hätte demnach nachvollziehbar sein müssen.

Das Argument der Liberalen: Genaue Erfassung wäre "in der Praxis nicht umzusetzen"

Kurz bevor der Gesetzentwurf an diesem Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll, hat Heil nun sämtliche Passagen hierzu aus dem Entwurf genommen. Die strengere Arbeitszeiterfassung wird also zumindest vorerst nicht kommen. Die FDP hatte sich gegen die Neuregelung gestellt, wie der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sagte und damit Informationen aus Regierungskreisen bestätigte. "Die elektronische Arbeitszeiterfassung ist in der Praxis nicht umzusetzen", sagte Kober der SZ. Dies gelte vor allem dann, wenn Beschäftigte an verschiedenen Orten tätig sind wie Bauarbeiter oder Reinigungskräfte. "Das geht nicht mit einer App auf dem Privathandy, dazu wäre ein Diensthandy nötig", sagte Kober. Zudem hätten die Betriebe neue Software kaufen müssen, Kober spricht von einer "erheblichen Belastung" für Unternehmen.

Der FDP-Politiker zeigt sich zudem wenig erfreut über dieses Element des Heilschen Gesetzentwurfs. "Wir waren überrascht über eine nachträgliche Forderung, die in den Koalitionsverhandlungen nicht vereinbart worden war", sagte Kober. Im Koalitionsvertrag findet sich tatsächlich keine entsprechende Passage. Dort ist lediglich niedergeschrieben, "man werde systematische Verstöße gegen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz verhindern (...) durch effektivere Rechtsdurchsetzung" - und das nicht im Zusammenhang mit Mindestlohn oder Minijobs.

Schon bisher müssen Arbeitgeber bei Minijobbern und generell in einigen Branchen die Arbeitszeit nach gesonderten Vorschriften erfassen: Beginn und Ende der Arbeit sowie die tägliche Arbeitsdauer. Allerdings können entsprechende Listen laut Arbeitsministerium auch handschriftlich erstellt werden, Unterschriften des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers sind nicht nötig. Zudem hat ein Betrieb eine Woche Zeit, die Arbeitszeit zu dokumentieren, eine sofortige Überprüfung der geleisteten Arbeit eines Tages ist damit schwierig, Betrug leichter möglich. Die Regelung gilt für Branchen, die als besonders anfällig für Missbrauch gelten wie das Baugewerbe, Gaststätten, der Speditionsbereich, Gebäudereinigung und Fleischwirtschaft.

Während Gewerkschaften seit Jahren eine bessere Dokumentation der Arbeitszeit anmahnen und von Milliarden unbezahlter Überstunden sprechen, weiß die FDP Verbände der betroffenen Branchen hinter sich. Thomas Dietrich, Chef des Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, sagte, man brauche Lösungen, die immer und überall rechtssicher, flexibel und in der Praxis funktionierten. "Wenn eine Reinigungskraft um 5 Uhr morgens auf dem Land ohne Internetempfang eine Baustelle reinigt, läuft das Konzept der zwingend digitalen Zeiterfassung jedenfalls schlichtweg ins Leere." Ähnlich kritisch hatte sich zuvor bereits der Hauptverband der Bauindustrie geäußert. "Insofern ist es folgerichtig, dass der viel zu kurzfristige Schnellschuss aus dem Bundesarbeitsministerium vom Tisch ist", sagte Dietrich.

Trotz der gestutzten Passage kann Hubertus Heil mit dem Gesetzentwurf nun aller Voraussicht nach ein zentrales Anliegen der SPD durchsetzen: den höheren Mindestlohn von zwölf Euro. Auch hier gab es scharfe Kritik von Arbeitgeberverbänden, doch dies veranlasste auch die Liberalen nicht dazu, das vereinbarte Vorhaben auszubremsen.

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