Mindestlohn:Warum die zwölf Euro wackeln

Mindestlohn: Pro Stunde Arbeit müssen künftig mindestens zwölf Euro gezahlt werden - bisher waren es 9,82 Euro.

Pro Stunde Arbeit müssen künftig mindestens zwölf Euro gezahlt werden - bisher waren es 9,82 Euro.

(Foto: Steffen Schellhorn/imago/epd)

Klagen die Arbeitgeber gegen eine Erhöhung des Mindestlohns in diesem Jahr? Ein Rechtsgutachten stärkt ihre Position.

Von Benedikt Peters

Es ist ein Plan, der mehr als sechs Millionen Beschäftigten in Deutschland zugutekäme: Die Bundesregierung will den Mindestlohn zum 1. Oktober auf zwölf Euro erhöhen. Der Gesetzesentwurf dazu soll am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden, so hat es der zuständige Minister Hubertus Heil (SPD) angekündigt. Frauen und Ostdeutsche würden besonders profitieren, da sie überdurchschnittlich oft den Mindestlohn beziehen. Doch ob das Gesetz wirklich umgesetzt wird, ist noch nicht sicher.

Seit dem Jahreswechsel laufen die Arbeitgeber Sturm gegen die Erhöhung, sie liebäugeln damit, juristisch dagegen vorzugehen. Solche Klagen sind nun konkreter geworden. Am Montag präsentierte die Arbeitgeber-Bundesvereinigung BDA ein Rechtsgutachten, das die Verfassungsmäßigkeit des geplanten Gesetzes infrage stellt. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sprach von einem "grundlegenden Angriff auf die Tarifautonomie" und sagte, die Erhöhung sei ein "mehrfacher Vertrauensbruch" durch die Bundesregierung.

In dem Rechtsgutachten, das der SZ vorliegt, argumentiert der Göttinger Verfassungsrechtler Frank Schorkopf mit dem rechtlich geschützten Vertrauen der Arbeitgeber in die Politik. Mit der Einführung des Mindestlohns 2015 habe die damalige Bundesregierung einen "Vertrauenstatbestand" geschaffen. Sie legte damals fest, dass der Mindestlohn anfangs 8,50 Euro betragen solle. Um weitere Erhöhungen sollten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam in der Mindestlohnkommission kümmern. Dort legen sie die Erhöhungsschritte immer für einen Zeitraum von zwei Jahren fest.

Derzeit geregelt ist, dass der Mindestlohn bis Ende 2022 auf 10,45 Euro steigt. Die von der Bundesregierung geplante Erhöhung greife in diesen Zeitraum ein, argumentiert Schorkopf - und verletze dadurch das Vertrauen der Arbeitgeber. Das sei - wenn überhaupt - nur zulässig, wenn der Eingriff verhältnismäßig sei. Auf diese Frage aber gehe der aktuelle Entwurf überhaupt nicht ein.

Bundesregierung ergreife einseitig Partei für die Gewerkschaften

Die Bundesregierung müsse an dieser Stelle nacharbeiten, sagte Schorkopf am Montag, doch auch dann sei fraglich, ob die Erhöhung verfassungsrechtlich Bestand habe. Mit dem Auftrag an Arbeitgeber und Gewerkschaften, die Erhöhungsschritte entsprechend der allgemeinen Tarifentwicklung in der Mindestlohnkommission festzulegen, habe die Bundesregierung eine "Systementscheidung" getroffen. Diese könne sie nach einem politischen Machtwechsel nicht einfach rückgängig machen. Außerdem ergreife die Bundesregierung einseitig Partei für die Gewerkschaften, die die Erhöhung auf zwölf Euro seit Längerem fordern. Das könne nachhaltige Auswirkungen auf die Mindestlohnkommission haben; sie stehe künftig unter dem Druck, politische Erwartungen zu erfüllen. "Das ist verfassungsrechtlich ein Problem", sagte Schorkopf.

Die zwölf Euro dürften frühestens zum 1. Januar 2023 kommen, forderten die Arbeitgeber, zudem müssten großzügige Übergangsfristen gelten. Das aber wäre ein politisches Problem für den Bundeskanzler. Olaf Scholz (SPD) hatte im Wahlkampf versprochen, die Erhöhung werde noch in diesem Jahr eingeführt.

Zur SZ-Startseite
Powerplayers Orion

SZ PlusSuisse Secrets
:Die heikelsten Kunden der Credit Suisse

Vom jordanischen König bis zum jemenitischen Geheimdienstchef - diese umstrittenen Männer hatten Konten bei der Schweizer Großbank.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: