Die SPD unternimmt einen weiteren Vorstoß, um den Mindestlohn in Deutschland künftig auf etwa 15 Euro zu steigern. Das ergibt sich aus einem Brief, den Bundesarbeitsminister und SPD-Vize Hubertus Heil an die Mindestlohnkommission geschickt hat. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor.
Heil fordert darin die Mitglieder der Kommission auf, sich bei der Festlegung der Lohnuntergrenze künftig an die europäische Mindestlohnrichtlinie zu halten. Demnach müsse der Mindestlohn künftig bei „60 Prozent des Bruttomedianlohns“ liegen, schreibt Heil. Das würde einen enormen Sprung bedeuten: Nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds würde der Mindestlohn damit zum 1. Januar 2026 auf 15,27 Euro steigen. Derzeit liegt er bei 12,41 Euro, für das Jahr 2025 ist ein leichter Anstieg auf 12,82 Euro vereinbart.
Die immer wieder hitzig geführte Debatte um den Mindestlohn geht damit in eine neue Runde. Kurz vor den Europawahlen im Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bereits eine künftige Lohnuntergrenze von 15 Euro ins Spiel gebracht; womöglich ist Heils erneuter Vorstoß nun auch vom schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sowie von der bevorstehenden, in der SPD als enorm wichtig erachteten Abstimmung in Brandenburg getrieben.
Heil will mit der Erhöhung auch die Kaufkraft stärken
Die letzte Mindestlohnerhöhung sei zu niedrig gewesen, sagte Heil im ARD-Morgenmagazin, dies müsse nun korrigiert werden. Ein solcher Schritt sei „auch wirtschaftlich vernünftig, weil es die Kaufkraft stärkt“, argumentiert der Arbeitsminister. Mit Blick auf die schwächelnde Wirtschaft sagte er: „Wir können in der derzeitigen konjunkturellen Situation auch durchaus einen Schub in der Nachfrage brauchen.“ Zuspruch erhält Heil vom Deutschen Gewerkschaftsbund, dessen Chefin Yasmin Fahimi sagte, der Arbeitsminister setze „klare Signale für faire Löhne“.
Vom Koalitionspartner FDP hingegen kommt Kritik; an einen positiven wirtschaftlichen Effekt einer starken Mindestlohnerhöhung will man dort nicht glauben. Vonseiten der Liberalen werde es „keine Unterstützung für die Vorschläge von Heil geben“, sagte der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Carl-Julius Cronenberg. Arbeitgeber warnen regelmäßig davor, dass sie starke Lohnzuwächse nicht verkraften könnten und dadurch Arbeitsplätze in Gefahr gerieten. Bei früheren Mindestlohnerhöhungen haben sich derlei Befürchtungen gesamtwirtschaftlich gesehen allerdings nicht bewahrheitet.
Das gebrochene Versprechen der SPD
Politisch heikel ist Heils Vorstoß allerdings noch aus einem anderen Grund. Bei der Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 hatte die damalige Bundesregierung aus CDU und SPD versprochen, dass die Höhe der Lohnuntergrenze nicht politisch festgelegt werden solle; stattdessen solle die mit Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern paritätisch besetzte Mindestlohnkommission unabhängige Entscheidungen fällen.
Die SPD hat dieses Versprechen schon einmal gebrochen, als sie im vergangenen Bundestagswahlkampf eine Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro ankündigte und diese dann auch durchsetzte. Das Klima in der Kommission wurde danach spürbar rauer – was dazu führte, dass die Arbeitgeber 2023 trotz hoher Inflation nur eine Mini-Erhöhung auf die derzeit geltenden 12,41 Euro zuließen, worauf wiederum die Gewerkschaftsseite erbost reagierte.
Die neuen Anläufe von Bundeskanzler Scholz und Arbeitsminister Heil werten die Arbeitgeber als „fortgesetzten Wortbruch“, so formuliert es der Geschäftsführer der Arbeitgebervereinigung, Steffen Kampeter. Die Arbeit der Mindestlohnkommission sei dadurch „besonders belastet“, sie könne nicht unabhängig arbeiten. Bis Ende Juni 2025 muss sich das Gremium auf einen neuen Mindestlohn einigen. Das dürfte kompliziert werden.