Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Falls die SPD die Groko verlässt

  • Falls die SPD die große Koalition verlässt, muss sich die Union entscheiden, wie sie darauf reagiert.
  • Einzelne CDU-Politiker wie Wolfgang Schäuble und Jens Spahn sympathisieren für diesen Fall mit einer Minderheitsregierung.
  • Die CDU-Spitze und die Führung der Unionsfraktion halten davon jedoch wenig. Und auch die Kanzlerin sagt, sie sei "keine Freundin der Minderheitsregierung".

Von Robert Roßmann, Berlin

Naturgemäß sorgen sich Parteien vor allem um die eigenen Wahlergebnisse, am Sonntag wird die CDU aber auch mit bangem Blick auf die Resultate der SPD schauen. Die Sachsen und die Brandenburger wählen - und vom Ausgang der Abstimmungen wird nicht nur abhängen, wer künftig in den beiden Ländern regiert. Die Ergebnisse werden auch Einfluss darauf haben, ob die SPD nach ihrem Parteitag im Dezember noch Teil der Bundesregierung sein wird. Krachende Niederlagen der Sozialdemokraten in Brandenburg und Sachsen dürften das Lager der Groko-Gegner in der SPD übermächtig werden lassen.

Die Union müsse auf alles vorbereitet sein, hieß es deshalb unisono bei der Klausur der Spitzen von CDU und CSU Anfang der Woche in Dresden. Und die erste Frage, die es da zu klären gilt, ist die, ob man nach einem Auszug der SPD als CDU-Minderheitsregierung weitermachen will. Denn daran, dass es ohne vorherige Neuwahl zu einer Jamaika-Koalition kommen könnte, glaubt in der Union wegen der aktuellen Stärke der Grünen kaum einer. Warum sollten die Grünen mit ihren 8,9 Prozent aus der letzten Bundestagswahl in eine Regierung gehen, wenn sie bei einer Neuwahl mehr als 20 Prozent bekommen könnten?

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Gesundheitsminister Jens Spahn haben schon öfter ihre Sympathie für eine Minderheitsregierung bekundet. Die beiden glauben, dass das unter anderem zur Profilschärfung beitragen könnte. Nach mehr als 13 Jahren in Koalitionsregierungen wisse doch kaum noch einer, was CDU pur sei. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer stand sogar schon einmal an der Spitze einer Minderheitsregierung. Nach dem Ende der Jamaika-Koalition im Saarland Anfang 2012 regierte ihre CDU ein paar Wochen lang allein.

Doch nach allem, was man in diesen Tagen in der CDU hört, würde es nach einem Auszug der SPD aus der Bundesregierung bestenfalls für eine kurze Übergangszeit vor Neuwahlen zu einer Minderheitsregierung kommen. Zwischen CDU-Spitze, Unionsfraktionsführung und Kanzleramt scheint es Konsens zu sein, dass man sich nicht dauerhaft auf ein Regieren ohne Mehrheit einlassen will.

Bei der Klausur der Parteispitzen in Dresden wurde darauf verwiesen, dass es bei den meisten der bisherigen Minderheitsregierungen in den Bundesländern jeweils einen festen Tolerierungspartner gegeben habe. Im Bund wäre die Lage nach einem Auszug der SPD aber eine ganz andere. Zum einen bräuchte man sogar zwei Partner, um auf eine Mehrheit zu kommen - die Stimmen von FDP oder Grünen allein würden nicht ausreichen. Zum anderen würde es sich bei FDP und Grünen um politisch gegengerichtete Parteien handeln. Für Beschlüsse zum Klimaschutz könnte man vielleicht die Grünen gewinnen, aber die FDP würde blockieren. Bei Vorhaben in der Steuer- oder Wirtschaftspolitik wäre es umgekehrt. Allein in der vergangenen Legislaturperiode habe der Bundestag mehr als 500 Gesetzesvorhaben verabschiedet. Das sei nicht möglich, wenn man sich für jedes einzelne mühsam Mehrheiten zusammensuchen müsse. Die SPD werde dabei nach einem Auszug aus der Regierung nicht mehr helfen, hieß es bei der Unionsklausur in Dresden. Und mit AfD und Linken wolle man nicht kooperieren.

Merkel verweist auch auf Europa und den Bundesrat

In der Führung der Unionsfraktion wird auch darauf verwiesen, dass eine Minderheitsregierung leicht vorgeführt werden könne. Beim Werbeverbot für Abtreibungen oder Themen aus dem Bereich Datenschutz und Bürgerrechte würden sich im Bundestag schnell Mehrheiten gegen die Union finden. Und für Entscheidungen wie die Verlängerung von Bundeswehrmandaten würden CDU und CSU kaum noch die nötige Unterstützung bekommen.

Die Kanzlerin hat bei einer Veranstaltung in Stralsund zwei weitere Argumente angeführt, weshalb auch sie "keine Freundin der Minderheitsregierung" sei. Länder wie Dänemark, in denen es häufig Minderheitsregierungen gebe, könnten kein Vorbild sein, sagte Angela Merkel. Denn in Deutschland gebe es mit Bundestag und Bundesrat ein Zwei-Kammer-System, welches das Regieren schon jetzt erschwere. Außerdem könne sie auf EU-Gipfeln nichts zusagen, von dem sie nicht wisse, dass es danach auch im Bundestag gebilligt werde. Denn in Deutschland habe das Parlament in Sachen Europa sehr starke Mitwirkungsrechte.

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SZ vom 30.08.2019/mkoh
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