Minderheitenrechte im Bundestag:Grüne wollen Oppositionsrechte notfalls gerichtlich durchsetzen

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Anton Hofreiter, neu gewählter Fraktionschef der Grünen (Foto: Getty Images)

Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag bereiten den Oppositionsparteien Sorge. So wollen die Grünen zur Wahrung der Oppositionsrechte notfalls vor das Verfassungsgericht ziehen. Linken-Chef Gysi zieht auch eine Änderung des Grundgesetzes in Betracht.

Die Minderheitenrechte im sich formierenden neuen Bundestag stellen die Oppositionsparteien Grüne und Linke vor neue Herausforderungen. So wollen die Grünen zur Wahrung der Oppositionsrechte notfalls vor das Verfassungsgericht ziehen. "Im Zweifelsfall, wenn die große Koalition, wenn sie es denn gibt, es uns nicht freiwillig zugesteht, gehen wir halt vor das Bundesverfassungsgericht," sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Dienstag in der ARD. "Oppositionsrechte verschwinden nicht, unabhängig davon, wie groß oder klein eine Opposition ist."

Sollten sich Union und SPD auf eine große Koalition einigen, würden sie im neuen Bundestag über fast 80 Prozent der Sitze verfügen. Linke und Grüne kämen zusammen nur auf etwa 20 Prozent der Sitze. Um einen Untersuchungsausschuss zu beschließen, ein Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen oder andere Minderheitenrechte in Anspruch nehmen zu können, bedarf es bislang aber mindestens 25 Prozent der Stimmen.

Diese Rechte hat die Opposition nach Ansicht von Hofreiter aber dennoch. In dieser Haltung würde seine Partei von vielen Verfassungsrechtlern gestützt. Zunächst würden sie auf Einsicht setzen, sagte Hofreiter. Der Vorschlag, die Geschäftsordnung des Bundestages nur vorläufig festzulegen, sei aber abgelehnt worden. "Wir werden sehen, wie es weitergeht, und im Zweifelsfall haben wir die Möglichkeit der Klage."

Mögliche Schritte: Klage, Grundgesetzänderung, Absichtserklärung

Wie aus der Grünen-Fraktion parallel dazu verlautete, wollen die Abgeordneten eine verbindliche Absichterklärung des Parlaments erreichen. Dazu wollen sie einen Antrag einbringen, nach dem der Bundestag ankündigen soll, für den Fall einer großen Koalition die Minderheitenrechte der Oppositionsfraktionen anzupassen und zu stärken. Damit würde das Parlament an diesem Dienstag in seiner konstituierenden Sitzung keine Details beschließen.

Auch eine Einschränkung des Rederechts wollen die Grünen nicht akzeptieren, so Fraktionschef Hofreiter. "Zur Debatte im Bundestag gehört das Prinzip der Rede und Gegenrede und das ist vollkommen ausgehebelt, wenn die Grünen pro Stunde sechs Minuten reden und die Linken sechs Minuten und die Regierung einen Monolog mit sich selbst hält." Auch hier müsse sich etwas ändern. Dabei geht es Hofreiter nicht um eine Änderung des Grundgesetzes, sondern der Geschäftsordnung.

Als zweite Partei in der Opposition besteht auch die Linkspartei auf einer Stärkung der Minderheitenrechte im neuen Bundestag. Linken-Chef Gregor Gysi sprach sich im Deutschlandfunk für eine Grundgesetzänderung aus, damit die Opposition für den Fall des Zustandekommens einer großen Koalition auch weiterhin vor dem Bundesverfassungsgericht eine sogenannte Normenkontrollklage gegen ein Gesetz anstrengen kann. "Es kann nicht sein, dass wir auf dieses Recht vier Jahre lang verzichten", sagte Gysi. Nach derzeit geltenden Vorschriften muss bei wichtigen Kontrollrechten ein Viertel der Abgeordneten dafür stimmen.

Was die Stärkung der Minderheitenrechte im Bundestag über die Geschäftsordnung angehe, habe Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bereits signalisiert, "dass er das Problem ganz ähnlich sieht", sagte Gysi dem Sender. Er gehe deshalb davon aus, dass es etwa beim Rederecht Entgegenkommen geben werde. Im Vorfeld hatte Gysi auf Radio Eins kommentiert: "Da sind wir schon eingeschlafen, bevor wir überhaupt dran sind."

Die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens etwa lasse sich aber nicht über die Geschäftsordnung sondern nur im Grundgesetz ändern, sagte Gysi weiter. Wenn es die Möglichkeit der Klage einer Oppositionspartei gegen ein Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht nicht mehr gebe, müssten sich die Bürger durch alle Instanzen klagen, bis sie in Karlsruhe angekommen seien. "Das geht nicht", sagte der Linken-Chef. Deshalb müsse es im Bundestag "eine wirksame Opposition geben, sonst verzichten wir auf einen ganz klaren Bestandteil der Demokratie".

30 Tage nach der Wahl kommt der Deutsche Bundestag am Dienstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.

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