- Deutsche lehnen einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge Sinti und Roma stärker ab als jede andere Bevölkerungsgruppe.
- Als Grund für die Diskriminierung wird eine fatale Mischung aus Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung genannt - durch alle Bevölkerungsschichten hindurch.
- Die Antidiskriminierungsstelle und der Zentralrat der Sinti und Roma fordern einen anderen Umgang seitens Politikern und Behörden.
Starke Abneigung gegen Sinti und Roma in Deutschland
Jeder dritte Deutsche will nicht neben Sinti und Roma wohnen*. Das ist ein Ergebnis einer umfassenden Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). Im Vergleich zu anderen Minderheiten wird ihnen der Studie zufolge die mit Abstand geringste Sympathie entgegengebracht. Bei der Frage: "Wie angenehm oder unangenehm wäre Ihnen eine bestimmte Gruppe in der Nachbarschaft?" schnitten Sinti und Roma am schlechtesten ab, gefolgt von Asylbewerbern und Muslimen. Rund acht Prozent der Befragten ließen eine große Distanz zu Osteuropäern erkennen. Drei Prozent der mehr als 2000 Befragten erklärten, sie hätten ungern Juden in ihrer Nachbarschaft wohnen. Ein Prozent sagte das Gleiche über Italiener.
In der Umfrage wurde auch gefragt, wie ein gutes Zusammenleben mit Sinti und Roma erreicht werden könnte. 80 Prozent der Befragten schlugen vor, den Missbrauch von Sozialleistungen zu bekämpfen, 78 Prozent forderten, Kriminalität zu bekämpfen und 50 Prozent meinten, die Einreise für Roma und Sinti sollte beschränkt werden. Jeder Fünfte schlug eine Abschiebung aus Deutschland vor, 14 Prozent waren für eine "gesonderte Unterbringung".
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Sinti und Roma von einem beträchtlichen Teil der deutschen Bevölkerung nicht als gleichberechtigte Mitbürgerinnen und Mitbürger wahrgenommen werden. Die Befunde seien dramatisch und der Handlungsbedarf von Politik und Gesellschaft erheblich, so die Verfasser.
Gründe für die Diskriminierung: Unwissenheit und Gleichgültigkeit
Der Studie zufolge ist Unwissenheit über Sinti und Roma weit verbreitet, die Ablehnung ziehe sich durch alle Bevölkerungsschichten. "Die Menschen wissen nichts über Sinti und Roma", sagte ADS-Leiterin Christine Lüders im ZDF-Morgenmagazin.
"Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung bilden zusammen eine fatale Mischung, die Diskriminierungen gegenüber Sinti und Roma den Boden bereiten", warnte Lüders bei der Vorstellung der Studie.
Romani Rose: Politiker nutzen Feindbild
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, zeigte sich besorgt angesichts der Ergebnisse. Die Studie zeige, dass "tief sitzende Vorurteile immer wieder reaktiviert werden können." Das Feindbild 'Zigeuner' sei in Deutschland hoch virulent. Rose kritisierte: "Maßgebliche Politiker nutzen in der Debatte um angebliche Armutszuwanderung wider besseres Wissen das Feindbild von Roma aus und instrumentalisieren damit einen massiven Antiziganismus."
Handlungsempfehlungen
Die Antidiskriminierungsstelle und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma plädieren in ihren Handlungsempfehlungen für den Aufbau einer Bildungsakademie für Sinti und Roma. Außerdem soll es eine stärkere Mitarbeit in Gremien und Rundfunkräten geben. Zudem sollten Sinti und Roma regelmäßig nach ihren Erfahrungen mit Diskriminierung befragt werden und ihr Schutz durch Behörden und Polizei verbessert werden.
"Die Bundesregierung ist in der Verantwortung, diese Minderheit zu integrieren." Lüders fordert unter anderem eine Bildungsakademie und eine Beteiligung von Sinti und Roma - Europas größter Minderheit - zum Beispiel in Rundfunkräten.
Die Studie "Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung - Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma" wurde vom Zentrum für Antisemitismusforschung (TU Berlin) und dem Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e.V. erarbeitet.
*Die Wissenschaftler, die die Studie durchgeführt haben, haben sich mittlerweile von der Interpretation der Ergebnisse durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes distanziert. Insbesondere die Aussage, dass jeder dritte Deutsche Sinti und Roma als Nachbarn ablehnt ist eine Zuspitzung, die durch die Studie selbst nicht gedeckt ist.