Minarett-Volksentscheid in der Schweiz:Verdeckte Wut

Das Bauverbot für Minarette in der Schweiz gibt deutschen Rechtspopulisten Auftrieb. Sie profiteren vom Unbehagen gegenüber dem Islam - von Schweizer Verhältnissen ist Deutschland jedoch weit entfernt.

Roland Preuß

Der Schock über die Entscheidung der Schweizer ist in Deutschland angekommen, das wurde am Montag klar. Die Bundesregierung unterstrich noch am Morgen das Recht der Muslime, Moscheen zu bauen, die deutsche Bischofskonferenz zeigte ihre "große Sorge", quer durch die Parteien hagelte es Kritik am klaren Votum der Schweizer für ein Minarett-Verbot.

Minarett-Volksentscheid in der Schweiz: Das Bauverbot für Minarette in der Schweiz gibt deutschen Rechtspopulisten Auftrieb. Das Foto zeigt eine Kirchturmspitze neben einem Minarett in Mannheim.

Das Bauverbot für Minarette in der Schweiz gibt deutschen Rechtspopulisten Auftrieb. Das Foto zeigt eine Kirchturmspitze neben einem Minarett in Mannheim.

(Foto: Foto: AP)

Die Angst ist da: Das Votum könnte in Deutschland islamfeindlichen Stimmungen Auftrieb geben, denn auch hier sind Moscheeprojekte unpopulär, wenn nicht verhasst. So erklärt sich, dass mehrere Unionspolitiker gleichzeitig ein gewisses Verständnis zeigten. Man müsse die Ängste der Bevölkerung vor dem Islam ernst nehmen, mahnte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einem "Warnsignal", das "emotionale Unbehagen" vieler Bürger nicht zu verdrängen. In einem Punkt ist man sich jedoch einig: Eine Volksabstimmung über Moscheeprojekte ist in Deutschland unerwünscht - und rechtlich angeblich nicht möglich.

Im Video: Deutsche Reaktionen zu Minarett-Verbot: CDU warnt vor Ignorieren der Minarett-Entscheidung in der Schweiz.

Weitere Videos finden Sie hier

Tatsächlich aber gab und gibt es Bürgerbegehren zu Moscheeprojekten. Auch in Deutschland haben Rechtspopulisten bereits versucht, das Reizthema für sich zu nutzen - und zwar in Städten und Gemeinden.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Bürger bei weitem nicht so empfänglich sind für schlichte Parolen wie weithin angenommen: Im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, wo derzeit eine heftig umstrittene Moschee gebaut wird, scheiterte vor zwei Jahren eine Initiative der Gruppe "Pro Köln" für einen Volksentscheid an mangelnder Unterstützung. Ähnliche Pläne für den Stadtteil Köln-Porz gaben die Rechtspopulisten daraufhin auf.

In Berlin-Heinersdorf stoppten die Behörden zwei Bürgerbegehren gegen eine geplante Moschee. Die Stadt sah in den Plänen einen Verstoß gegen das Baurecht und die Religionsfreiheit. Auch in Dortmund und Gelsenkirchen gab es Versuche, die nötige Zahl an Unterschriften aber kam nach Auskunft des Basisdemokratie-Verbandes "Mehr Demokratie" nicht zusammen.

Es gibt bisher nur eine Ausnahme: die hessische Kleinstadt Schlüchtern. Hier kam 2002 ein von den Republikanern initiiertes Begehren durch, es wurde abgestimmt über die Moscheepläne in der Stadt - und siehe da: Trotz geringer Beteiligung sprachen sich 53,4 Prozent der Abstimmenden für das Projekt aus. Einen Volksentscheid gegen eine Moschee habe es in Deutschland dagegen "definitiv nicht" gegeben, sagt der Vorstandssprecher von Mehr Demokratie, Michael Efler.

Sein Verband beobachtet und berät seit Jahren bundesweit die Initiatoren von Bürgerbegehren. Laut Efler sind die Entscheide in den Kommunen normalerweise möglich, da es um Bau- und Städteplanung geht, also kommunale Kompetenzen. Ein weiterer Ansatz wären die Landesbauordnungen, die man theoretisch über Volksentscheide auf Länderebene ändern könnte. Dann aber ginge es nicht mehr nur um die Bebauung eines bestimmten Grundstückes, sondern - ähnlich wie in der Schweiz - um generelle Verbote. Dies aber dürfte als Eingriff in die Religionsfreiheit gesehen werden.

Trotz der Rückschläge sehen sich die bundesweit aktivsten Islamgegner von "Pro Köln" und "Pro NRW" nun im Aufwind. Ihr Vorsitzender Markus Beisicht, der in Köln mit dem Slogan "der OB gegen die Moschee" wirbt, kündigte am Montag bereits für Nordrhein-Westfalen einen "Wahlkampf nach Schweizer Vorbild" an.

Man wolle die dortige Landtagswahl kommenden Mai zu einer "Volksabstimmung über Islamisierung und Überfremdung" machen. Mit Wahlplakaten, die durchgestrichene Moscheen zeigen, hat es Pro NRW bereits in mehrere Stadträte geschafft, darunter Köln und Bonn.

Ihre Unterstützer lassen sich nicht durchweg als unbelehrbare Rechtsextreme einordnen. Oftmals mischte sich die allgemeine Angst vor islamistischem Terror mit Erfahrungen, an denen Bürger die gescheiterte Integration vor allem an Muslimen festmachen: So tauchten Muslime aus Bonn unter und auf Videos wieder auf, in denen sie Deutschland mit Anschlägen drohten, vollverschleierte Schulmädchen erregten in der Stadt Aufsehen.

Von Schweizer Größenordnungen ist Pro NRW mit gut fünf Prozent in Köln jedoch weit entfernt. "Es gibt in Deutschland bisher keine schlagkräftige Partei oder populäre Figur, die sich die Stimmung zunutze machen könnte", sagt Claus Leggewie, Politikprofessor an der Uni Essen. "Man spürt jedoch bei Veranstaltungen zu dem Thema große Wut."

Dass diese sich kaum in Wählerstimmen verwandelt hat, dürfte auch mit der Islamkonferenz der Bundesregierung zusammenhängen. Dort hatte man bereits vor zwei Jahren Leitlinien für Moscheeprojekte beschlossen.

Bundesregierung und muslimische Verbände kamen überein, dass die Bürger möglichst früh über die Pläne informiert und beteiligt werden müssten. Auch woher das Geld für die Moschee stammt, solle offengelegt werden, um Misstrauen vorzubeugen. Dann, so Regierung und Verbände, sei "der Moscheebau ein wichtiger Schritt zur Integration des Islam".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: