Minarett-Verbot:"Das wird die Schweiz teuer zu stehen kommen"

Verständlicher Ausdruck für die Angst vor Islamisierung oder Zeichen von mangelnder Toleranz? Die Schweizer Volksabstimmung gegen den Bau von Minaretten polarisiert.

Der deutliche Ausgang der Schweizer Volksabstimmung gegen den Neubau von Minaretten löst in der Schweiz und im Ausland höchst unterschiedliche Reaktionen aus.

Minarett-Verbot: "Absolut rassistisch": Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt ist empört über das Plakat, mit dem die Initatiatoren der Schweizer Volksabstimmung für ihr Anliegen warben.

"Absolut rassistisch": Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt ist empört über das Plakat, mit dem die Initatiatoren der Schweizer Volksabstimmung für ihr Anliegen warben.

(Foto: Foto: dpa)

Der Schweizer Theologe Hans Küng zeigte sich gegenüber dem in der Schweiz erscheinenden Tages-Anzeiger konsterniert. Als Schweizer im Ausland sei er stets stolz auf seine Heimat gewesen. Die neuesten katastrophalen Entwicklungen für das Image der Schweiz, darunter auch der Bankenskandal, kulminierten nun "in dieser unbegreiflichen Annahme einer Initiative, die nicht nur gegen die Religionsfreiheit verstösst, sondern auch gegen die in der Schweiz hoch angesehene Toleranz".

Er verstehe gewisse Bedenken gegenüber dem Islam, sagte Küng. Ursachen dafür seien jedoch oft Unkenntnis und allzu große Selbstbezogenheit. "Man meint auf einer Insel zu leben. So trifft man falsche Urteile. Das wird die Schweiz noch teuer zu stehen kommen", sagte Küng.

Auch in der Europäischen Union wurde deutliche Kritik am Bauverbot für Minarette laut. "Ich glaube an die Freiheit. Und ich denke nicht, dass wir ein neues Europa ohne das Recht auf Meinungsäußerung bauen können", sagte die schwedische Justizministerin Beatrice Ask in Brüssel am Rand eines Treffens der EU-Justiz- und Innenminister. Schweden hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Im Video: Das in der Volksabstimmung vom Sonntag beschlossene Minarettverbot in der Schweiz hat bei Muslimen und Kirchen für Bestürzung gesorgt.

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Der Migrationsminister des Landes, Tobias Billström, sagte: "Ich bin überrascht und finde es etwas seltsam, dass so etwas mit einem Referendum entschieden wird. In Schweden wird so etwas von den Stadtplanern entschieden."

Ähnlich äußerte sich die österreichische Innenministerin Maria Fekter: "In Österreich ist es so, dass wir grundsätzlich Religionsfreiheit haben. Und zur Religionsfreiheit gehören auch Gotteshäuser", sagte sie. In Österreich werde diese Frage durch "die örtliche Raumplanung" entschieden.

"Ausdruck der Angst"

Die französische Regierung bezeichnete das Votum der Schweizer als "Ausdruck von Intoleranz" gegenüber Muslimen. Er sei "etwas schockiert" über den Ausgang der Volksabstimmung, sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner im Sender RTL.

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach, sieht auch in Deutschland eine wachsende Furcht der Bevölkerung vor einer Islamisierung. Nach der Entscheidung der Schweizer für ein Verbot neuer Minarett-Bauten sagte der CDU-Politiker der Berliner Zeitung, die Schweizer Entscheidung müsse deshalb auch hierzulande ernstgenommen werden und dürfe nicht hochmütig kommentiert werden. Das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weitverbreiteten Angst vor der Islamisierung der Gesellschaft, sagte Bosbach.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warnte hingegen davor, nach dem Votum der Schweizer die dortige Situation mit der in Deutschland zu vergleichen. "Man darf dieses Ergebnis nicht überbewerten", sagte Dobrindt dem Bayerischen Rundfunk. Die Gründe, die in der Schweiz zu diesem Votum geführt hätten, müssten näher analysiert werden. "Aber es ist mit Sicherheit nichts, was auf Deutschland in dieser Form zu übertragen wäre", fügte der CSU-Politiker hinzu.

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy nannte die Entscheidung der Schweizer in der Berliner Zeitung sehr problematisch. Wer Religionsfreiheit garantiere, müsse den Anhängern verschiedener Religionen auch die Möglichkeit geben, Gotteshäuser zu bauen.

"Absolut rassistisch"

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich "erschüttert" über die Schweizer Volksabstimmung über ein Verbot von Minaretten. "Die Religionsfreiheit kann man nicht zur Abstimmung stellen", sagte die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Bundestags-Vizepräsidentin im ZDF. Das Abstimmungsergebnis bedeute, dass Musliminnen und Muslime in der Schweiz nicht mehr willkommen seien.

Als "absolut rassistisch" verurteilte Göring-Eckardt zudem das Plakat mit dem die Initiatoren der Volksabstimmung geworben hatten. Es zeigt eine Schweizer Fahne, auf der schwarze Minarette stehen, sowie eine verschleierte Frau. "Hier wird Angst vor etwas geschürt, was mit dem Islam wirklich überhaupt nichts zu tun hat", sagte Göring-Eckardt. Sie kritisierte auch die Äußerungen Bosbachs. Dieser müsse sich überlegen, was er sage. "Die Realität in Deutschland ist doch, das wir zu wenig Integration haben", sagte Göring-Eckardt.

In der Schweiz leben etwa 400.000 Muslime. Am Sonntag hatte sich bei einer Volksabstimmung eine überraschend klare Mehrheit von 58 Prozent dafür ausgesprochen, den Bau neuer Minarette zu verbieten. Die Regierung der Schweiz hatte sich gegen das Bauverbot engagiert. Regierung und Religionsgemeinschaften hatten vor der Abstimmung erklärt, ein Bauverbot würde gegen die Religionsfreiheit und die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.

Auf Seite 2 lesen Sie, wie Muslime das Minarett-Bauverbot aufnehmen - und bei wem die Entscheidung auf Zustimmung stößt.

"Beleidigung für alle Muslime"

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, bedauerte das Ergebnis der Schweizer Abstimmung. "Es zeigt sich, dass die europäischen Gesellschaften noch nicht ganz reif sind für die Zuwanderung und für die Einwanderung", sagte Kolat.

"Signal gegen Scharia und Kopftuchzwang"

Der Zentralrat der Ex-Muslime begrüßte hingegen die Schweizer Volksabstimmung zum Bauverbot von Minaretten. "Das Nein zu Minaretten ist eigentlich ein Signal gegen Islamismus, Scharia und Kopftuchzwang. Das Minarett steht da nur als Symbol für eine begründete Furcht vor dem politischen Islam", sagte die Zentralratsvorsitzende Mina Ahadi der Leipziger Volkszeitung.

Es sei gut, dass die Schweizer Bürger in diese Entwicklung eingegriffen und deutlich nein gesagt hätten. "Ich wünsche mir, dass es auch in Deutschland eine breitere Debatte über die Beschneidung von Frauen- oder Kinderrechten gibt", so Ahadi weiter. Der Zentralrat rechnet mit aggressiven Reaktionen der muslimischen Verbände und der arabischen Welt auf die Schweizer Volksabstimmung. Die ersten Drohungen seien schon da.

Der ägyptische Großmufti Ali Gomaa kritisierte das Minarett-Verbot als "Beleidigung" für alle Muslime. Wie die ägyptische Nachrichtenagentur Mena berichtete, nannte Gomaa das in einer Volksabstimmung durchgesetzte Verbot einen Angriff auf die Religionsfreiheit. Der Großmufti, einer der höchsten islamischen Würdenträger, rief die Muslime in der Schweiz dazu auf, mit legalen Mitteln gegen das Verbot zu demonstrieren und sich im gesellschaftlichen Dialog zu engagieren.

Mit einem Sturm der Begeisterung nahm hingegen die rechtslastige und fremdenfeindliche Lega Nord in Italien das Votum gegen neue Minarette in der Schweiz auf. "Das ist ein klares Signal aus der Schweiz auch für uns", sagte der Lega-Nord-Minister für vereinfachte Gesetzgebung in der italienischen Regierung, Roberto Calderoli. Auch führende Vertreter der Pdl ("Volk der Freiheit") von Regierungschef Silvio Berlusconi begrüßten offen die Entscheidung der Eidgenossen.

Auch die rechtsextreme Partei Front National (FN) nahm das Abstimmungsergebnis positiv auf. Auch die Franzosen müssten die Möglichkeit bekommen, in lokalen Abstimmungen ihre Meinung zu Moscheebauten zu äußern, sagte FN-Vizepräsidentin Marine Le Pen in Radio Classique. Es sei "skandalös", dass die Politik "dem Willen des Volkes den Rücken kehrt". Le Pen verwies dabei auf den laufenden Bau eines muslimischen Gotteshauses in Straßburg.

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