Milliardenschwere Reform:Altkanzler Schröder kritisiert Nahles' Rentenpläne

"Absolut falsches Signal": Das Kabinett hat das milliardenschwere Rentenpaket auf den Weg gebracht. Darin enthalten ist die umstrittene Rente mit 63. Heftige Kritik daran kommt jetzt auch von Altkanzler Gerhard Schröder.

Es ist das erste große Gesetzesvorhaben - und gleichzeitig das teuerste: Die schwarz-rote Bundesregierung hat das milliardenschwere Rentenpaket auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett billigte an diesem Mittwoch den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

"Den Menschen soll es besser gehen. Wir wollen mehr Gerechtigkeit", sagte Nahles bei der Vorstellung der verschiedenen Rentenvorhaben. Das Paket besteht aus der abschlagfreien Rente ab 63 für langjährig Versicherte, der verbesserten Mütterrente, der aufgestockten Rente für Erwerbsgeminderte und besseren Reha-Leistungen. Insgesamt sollen die Pläne bis 2030 etwa 160 Milliarden Euro kosten. Bezahlt werden soll alles zunächst aus der noch gut gefüllten Rentenkasse.

Viel zu viel, findet Altkanzler Gerhard Schröder. "Wie sollen die Renten finanziert werden?", fragt er in der Bild-Zeitung, die einen Auszug aus seinem Buch "Klare Worte" abdruckt. Das Abrücken von der Rente mit 67 hält er für ein "absolut falsches Signal". Hauptproblem, so Schröder, sei die Bevölkerungsentwicklung. Ihn wundere, "dass sich die Frauen nicht zu Wort gemeldet haben, denn das Ergebnis ist eindeutig: Der männliche Facharbeiter, relativ gut verdienend, wird das nutzen können, Frauen eher weniger, weil die meistens gar nicht auf die 45 Beitragsjahre kommen", zitiert die Bild-Zeitung weiter.

Es gebe zu wenige Berufstätige, die mit ihren Beiträgen für die immer größer werdende Gruppe der Rentner aufkommen müssten. Er sei der Ansicht, dass es generell mehr Arbeit für Ältere geben werde. Zum einen, weil die Menschen es wollten, zum anderen, weil es einen objektiven Bedarf an qualifizierten Älteren gebe.

Am Dienstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den eigenen Reihen um Unterstützung für den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geworben. Die CDU-Vorsitzende appellierte in einer Sitzung der Unionsfraktion an die Abgeordneten von CDU und CSU, zu den Beschlüssen zu stehen.

Debatte um mögliche Frühverrentung

Das Paket sieht die abschlagfreie Rente ab 63 für langjährig Versicherte vor. Den Betroffenen werde "nichts geschenkt", verteidigte Nahles ihre Pläne am Mittwoch. "Diese Rente ist verdient." Man werde aber im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren Wege finden, die befürchtete Möglichkeit einer Frühverrentung auszuschließen, versicherte sie.

Zuvor war bekannt geworden, dass in dem Entwurf von Nahles auch Schritte gegen eine mögliche Frühverrentungswelle angekündigt werden. Das Problem stellt sich, weil mit der Neuregelung auch Zeiten von Kurzzeitarbeitslosigkeit anerkannt werden sollen. Damit wäre schon für 61-Jährige der Weg in die abschlagfreie Rente frei, wenn sie die letzten beiden Jahre Arbeitslosengeld I beziehen.

Dem geänderten Gesetzentwurf zufolge soll es nun je nach Einzelfall zusätzliche Ermittlungen geben, ob der Versicherte Arbeitslosengeld - was bei der Rente mit 63 berücksichtigt wird - oder Arbeitslosenhilfe beziehungsweise Arbeitslosengeld II bezogen hat, was nicht angerechnet wird. Die Angaben der Versicherten werden von der Rentenversicherung ausgewertet. Im Zweifelsfall werde "eine eidesstattliche Versicherung für Zeiten vor 2001 entgegengenommen". In dem Entwurf wird die Zahl der Fälle, in denen die Ansprüche auf eine Rente mit 63 auf diese Art überprüft werden müssen, mit etwa 200.000 angegeben.

Der CDU-Abgeordnete Karl Schiewerling hatte eine Stichtagsregelung für die Anrechnung von Arbeitslosenzeiten vorgeschlagen. Arbeitslosigkeit soll demnach nur für die Vergangenheit angerechnet werden, also für die Zeit vor Januar 2014. Schiewerling sagte, die Rente mit 63 dürfe nicht als Einladung zur "massenhaften Frühverrentung" verstanden werden.

Der CDU-Sozialexperte Jens Spahn schlug vor, Arbeitnehmer mit Anreizen dazu zu bewegen, länger zu arbeiten. "Wer die abschlagfreie Rente ab 63 Jahren nicht nimmt, könnte in den letzten Berufsjahren von Beiträgen zur Rentenversicherung oder zur Arbeitslosenversicherung befreit werden", sagte er der Rheinischen Post.

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach vertrat die Ansicht, dass die Gefahr übertrieben werde, und plädierte dafür, erst einmal abzuwarten. "Wir könnten eine Regelung ins Gesetz aufnehmen, die Missbrauch ausschließt oder vereinbaren, erst einmal zu beobachten, ob es überhaupt zu dem befürchteten Missbrauch kommt", sagte er der Passauer Neuen Presse. "Ich gehe nicht davon aus, aber falls doch, werden wir es verhindern."

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erklärte: "Die Vermeidung von Frühverrentungsprogrammen ist oberste Aufgabe der Unternehmen selbst." Notwendig sei eine Personalpolitik, "die ältere Beschäftigte besser fördert und den Stress bei der Arbeit reduziert".

Weitere Punkte, die im Rentenpaket enthalten sind:

  • Mütterrente: Mütter sollen für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, eine höhere Rente bekommen. Um die Erziehungsleistung zu würdigen, bekommen sie einen zusätzlichen Entgeltpunkt angerechnet, was einem Plus von 28 Euro pro Monat im Westen und 25 Euro im Osten entspricht. In Einzelfällen werden davon auch Väter profitieren. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) rechnet mit 150.000 anspruchsberechtigten Männern. Ihnen stehen allerdings mehr als neun Millionen Frauen gegenüber, die die neue Leistung bekommen sollen. Wegen technischer Schwierigkeiten bei der Umstellung zur Jahresmitte müssen die Anspruchsberechtigten jedoch mit Verzögerungen beim Auszahlungsbeginn rechnen. Es könnte Herbst werden, allerdings wird das Geld auf jeden Fall rückwirkend gezahlt.
  • Erwerbsminderungsrente: Bei der Erwerbsminderungsrente wird künftig eine theoretische Arbeitszeit bis zum vollendeten 62. statt wie bisher bis zum 60. Lebensjahr zugrunde gelegt. Erwerbsgeminderte werden dadurch so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen zwei Jahre länger weitergearbeitet hätten. Das macht ein Plus von etwa 40 Euro monatlich.
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