Süddeutsche Zeitung

Milliardenauftrag verloren:Digitaler Funk ohne Bahn

Deutschland ist neben Albanien das letzte europäische Land ohne digitalen Polizeifunk. Dennoch lässt die Einführung weiter auf sich warten - der Bund hat der Deutschen Bahn jetzt den Auftrag entzogen.

Michael Bauchmüller

Der Lenkungsausschuss von Bund und Ländern entzog dem Unternehmen am Mittwoch nach monatelangen Verhandlungen den Auftrag. Dennoch solle bis Ende 2010 ein Digitalfunk in Deutschland eingeführt werden, beschlossen die Staatssekretäre von Bund und Ländern.

Das Angebot der Bahn sei "weder tragfähig noch verhandlungsfähig" gewesen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Bis zum 31. März 2007 soll nun eine Entscheidung über ein "alternatives Konzept" fallen. Wie dies im Einzelnen aussehen soll, ist noch offen.

Dissens über Netzstärke

Zunächst sollten nun an verschiedenen Orten andere Digitalfunk-Versionen erprobt werden, hieß es im Innenministerium. Damit ist eine völlig neue Ausschreibung des Auftrags unwahrscheinlich: Sie würde nach Einschätzung von Experten erneut zu einer Verzögerung von zwei Jahren führen.

Die Bahn zeigte sich ernüchtert. "Wir sind an die Grenzen dessen gegangen, was wir unternehmerisch verantworten können", sagte DB-Telematik-Chef Robert Simmeth. "Wer mehr Technik und Komfort will, der muss auch mehr Budget bereitstellen."

Der Entscheidung waren zähe Verhandlungen über Preis und Leistung vorausgegangen. Zuletzt hatte die Bahn angeboten, das digitale Funknetz bis 2010 für 5,1 Milliarden Euro zu errichten und für 15 Jahre zu betreiben.

Prüfung alternativer Konzepte

Den Auftrag dazu hatte sie noch unter der rot-grünen Vorgängerregierung erhalten - allerdings ohne förmliches Vergabeverfahren. Grund dafür seien Sicherheitserwägung gewesen, hieß es damals. Streit hatte es vor allem darüber gegeben, wie stark ein solches Netz sein muss, um möglichst alle Polizeikräfte überall im Land zu erreichen.

Der Bund hatte darauf bestanden, ein lückenloses, starkes Netz zu errichten. Die Bahn hatte ein günstigeres Angebot aber nur unter der Bedingung in Aussicht gestellt, dass das Funknetz weit weniger sendestark ist. Nach Auffassung des Unternehmens hätte dies zur flächendeckenden Versorgung mit Digitalfunk ausgereicht.

Ein eigens anberaumtes Gespräch zwischen Bahnchef Hartmut Mehdorn und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte den Dissens jedoch in der vergangenen Woche nicht auflösen können.

Bund und Länder wollen nun prüfen, inwieweit das "alternative Konzept" des Bundesinnenministeriums sie billiger kommen könnte. Auf jeden Fall soll es aber weiterhin gleichzeitig in Bund und Ländern eingeführt werden, die Funkstandards sollen einheitlich sein. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Polizeikräfte aus verschiedenen Bundesländern problemlos kommunizieren können.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2006
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